Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
da?« Almas Gesicht war gerötet. Vor Zorn oder vor Scham? Katalina vermutete zu Almas Gunsten beides.
    Sie ging in den Gartensaal, gefolgt von einer aufgeregt schnatternden Alma.
    Der Alte saß vor dem Kamin, in einem Lehnstuhl, neben sich den friedlichen Zeus – und ein Tischchen, das fast zu zart wirkte für das opulente Frühstück, das darauf stand. Und über ihm hing, überlebensgroß, das Haar schwarz, aber ansonsten von frappierender Ähnlichkeit, das Porträt Gawans, Graf von Hartenfels zu Blanckenburg. 1640 bis 1723.
    »Wen wollen Sie eigentlich täuschen?«
    Der Graf winkte zu ihnen hinüber und machte eine einladende Handbewegung.
    »Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte es niemand gemerkt«, zischte Alma.
    »Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre der alte Herr längst tot«, zischte Katalina zurück.
    »Streiten Sie sich um mich? Es lohnt sich nicht«, sagte der alte Herr spöttisch.
    »Katalina will wissen, welches Spiel hier gespielt wird.« Alma hatte ihre Fassung zurückgewonnen. »Ich schlage vor, Sie erklären es ihr.« Sie rauschte hocherhobenen Hauptes aus dem Saal.
    »Hat man Sie wegen guter Führung entlassen?« Katalina ließ sich auf dem Stuhl neben dem Grafen nieder. »Und sind Sie nicht noch müde von gestern nacht?«
    »Danke, ich habe tief und fest geschlafen«, sagte der Graf. Sie musterte ihn. Er wirkte völlig arglos. Also war nicht er gestern nacht mit der Taschenlampe durchs Schloß gegeistert.
    Seit wann glaubst du einem Simulanten? fragte eine spöttische innere Stimme.
    Der Graf goß Kaffee in eine der beiden noch unberührten Tassen. »Was wollen Sie wissen?« fragte er, nachdem sie getrunken hatte.
    »Wieso alle so tun, als ob Sie gar nicht existierten. Warum Sie allen vormachen, Sie seien nicht mehr klar im Kopf.«
    »Das ist ganz einfach.« Der Graf setzte seine Tasse ab. »Ich will nicht, daß jedermann weiß, daß ich zurückgekehrt bin.«
    »Aber–«
    »Und das andere ist eine lebensverlängernde Maßnahme. Solange die Frankens noch etwas von mir wollen, habe ich meine Ruhe.«
    Der Graf blinzelte sie gedankenverloren an und lehnte sich dann zurück.
    »Ich kenne den Saal noch in seiner ganzen alten Pracht. Ich habe meine Verlobung hier gefeiert.«
    Katalina begann langsam zu ahnen, welches Spiel der Alte spielte.
    »Ich habe das Schloß seit 1943 nicht mehr gesehen. Seit über sechzig Jahren. Ich möchte wenigstens auf Blanckenburg sterben.«
    Das wäre ihm fast gelungen, in der Nacht, in der er ins Koma zu sinken drohte. Dafür hatte er sich verdammt gut erholt. »Sieht aus, als ob das noch Zeit hätte, oder?«
    »Wer weiß?« Der Graf lächelte spitzbübisch.
    Zeus hatte sich eng an Katalinas Knie geschmiegt und ließ den Alten nicht aus den Augen. »Warum haben Sie den alten Kasten nicht zurückgefordert? Viele Leute unten in der Stadt fänden nichts schöner, als wenn die Gräflichkeit zurückkehrte!«
    »Rückgabe, liebe Katalina, hatte unsere Regierung nicht vorgesehen. Und außerdem: Was hätte das gebracht? Ich habe kein Geld, um das Schloß auf Vordermann zu bringen. Die Frankens – nun, die schon eher.«
    »Aber ist das fair?«
    »Katalina!« Der alte Herr lehnte sich zurück und sah sie an. Die Ähnlichkeit mit Gawan dem Dunklen wurde immer auffallender. »Als ich aus der Kriegsgefangenschaft in Frankreich entlassen wurde, hatte man meine Familie vertrieben und das Schloß und seine Ländereien konfisziert. Ich habe keinen Gedanken an die Vergangenheit verschwendet. Man weint nicht über verschüttete Milch. Zumal die Liebe meines Lebens mich nicht mehr wollte.«
    »Sternchen.«
    Der Graf sah sie überrascht an. Dann lachte er. »Ich habe sie manchmal so genannt.« Er musterte Katalina. »Sie war so groß wie Sie. Blond, schlank. Und zäh und klug und stolz.«
    Das Messer klirrte auf dem Teller. Katalina sah, daß die Hände des Grafen zitterten.
    »Es gab keine andere für mich. Und da mein Bruder tot ist, existieren keine Erben. Ich bin der letzte der Linie.«
    »Die Frankens –«
    Der Graf hob beide Hände. »Ich habe um Rückgabe gebeten, schon 1990, da war ich noch naiv. Aber man war da oben heilfroh, daß die Russen die dreckige Arbeit der Enteignung erledigt hatten. Blanckenburg sollte meistbietend verscherbelt werden, wie so vieles andere auch. Damit wollte man die Wiedervereinigung finanzieren.«
    Der Alte blickte starr geradeaus. »Und dann haben sie das Schloß verschenkt – weil ein Angeber ihnen versprach, hier die größte Golfanlage Europas zu

Weitere Kostenlose Bücher