Russisch Blut
Das war eine Weile her, sicher. Aber er konnte es nicht vergessen haben.
Slobo und Vladi gingen breitbeinig hinter Mirko, funkelnde Augen in geröteten Gesichtern; sie sahen betrunken aus. Die beiden stellten jedem Mädchen nach, das sich nicht entschieden genug wehrte. Bei ihr hatten sie es nur einmal versucht. Seither hieß sie die frigide, hochnäsige Zicke.
Dann Kujo. Er blickte zu Boden, sah sie nicht an. Er war nicht freiwillig mitgegangen. Aber als es darauf ankam, war er genauso wie die anderen. Genauso? Nicht ganz.
Denk nicht daran, dachte Katalina. Aber die Bilder drangen hinaus wie das Wasser aus einem geplatzten Waschmaschinenschlauch: unaufhaltsam.
Hinter Kujo kam Djonjon. Der nette Djonjon, der blonde Nachbarjunge, Unschuld und Neugier im Gesicht. Sie hatte ihn gehütet, als er noch ganz klein war, wenn sein Vater sich wieder betrunken und seine Mutter krankenhausreif geschlagen hatte. Jetzt war er vierzehn. Unschuld und Neugier. Beides kann ebenso grausam machen wie Berechnung und Rachsucht. Womöglich sogar grausamer.
Mirko stellte sie zur Rede. »Was hast du mit diesem – Abschaum?« Er spuckte aus, ihr direkt vor die Füße.
»Gavro ist mein Freund, das weißt du doch«, antwortete sie.
»Solche Leute sind kein Freund. Und für Frauen, die es mit ihnen treiben, haben wir nur einen Ausdruck.«
»Hure«, rief Slobo, und Vladi fügte breit grinsend ein »Nutte!« hinzu.
»Und was macht man mit solchen Frauen?«
Mirko hatte noch immer die Hände in den Hosentaschen. Jetzt zog er sie langsam heraus.
Katalina wußte, was mit solchen Frauen gemacht wurde. Man las davon in den Zeitungen. Aber dies hier war Glogovac.
Mirko steckte die Daumen beider Hände in den Hosenbund und wechselte das Standbein. Sie sah aus den Augenwinkeln, daß Kujo ein paar Schritte zur Seite trat. Von ihm hatte sie keine Hilfe zu erwarten. Sie suchte den Platz am Fluß ab. Es war niemand draußen, obwohl man sich um diese Uhrzeit hier traf, wenn man jung war und einen Flirt suchte. Sie wagte nicht, sich umzudrehen.
»Nun macht schon«, sagte Djonjon und lächelte sie strahlend an. »Ihr habt doch gesagt –«
»Maul«, zischte Kujo. Kurz hatte sie auf ihn gehofft. Ganz kurz nur.
Mirko wirkte für einen Moment unschlüssig. Slobo stieß ihn an, und Vladi grinste ihm aufmunternd zu. Er machte einen Schritt vor.
Sie versuchte, ruhig zu bleiben. »Du hast mal ganz anders geredet, Mirko, weißt du noch?«
Sie sah in seinem Gesicht, daß er schwankte. Dann wich er ihrem Blick aus.
»Erinnerst du dich?«
Mirko sah nervös zu Boden.
»Wenn du es nicht tust –« Djonjon tänzelte herbei.
»Und wenn jemand kommt?« Kujo hatte Angst. Das gab den Ausschlag.
Mirko war mit wenigen Schritten bei ihr, packte ihr mit beiden Händen in den Ausschnitt und riß das Kleid von oben nach unten auf. Seltsamerweise tat das fast am meisten weh. Es war ein Sommerkleid, das sie mit Gavro gekauft hatte, in einer Zeit, die es in Wirklichkeit nie gegeben hatte, die sie sich eingebildet hatten, eine Zeit des Friedens – die paar Monate nur zwischen dem Bösen, das man kannte, und dem neuen Unheil, von dem man noch nicht wußte, wie schlimm es werden würde.
Mirko trat zurück. Slobo und Vladi feixten. Djonjon starrte ihr auf den weißen Büstenhalter. Kujo räusperte sich, wollte etwas sagen. Dann baute sich Mirko vor ihr auf und öffnete seine Hose. Slobo und Vladi zwangen sie in die Knie. Mirko wickelte sich ihren langen Haarzopf um das Handgelenk.
Sie hatte versucht, nicht an Gavro zu denken. Sie hatte sich statt dessen vorgestellt, wie sie morgens ihre langen Haare bürstete, in Strähnen aufteilte und zu einem dicken Zopf flocht. Sie hatte versucht, sich jede einzelne Strähne vorzustellen, jedes einzelne der kräftigen dunklen Haare, aus denen sie sich zusammensetzte. Sie verfolgte im Geist jede Drehung und Bewegung ihrer Finger, legte eine Strähne über die nächste und …
Sie erinnerte sich nicht an Demütigung und Schmerz. Sie erinnerte sich an die Unbeholfenheit der fünf, an ihre Ungeschicklichkeit, die sie mit den immer gleichen Sprüchen zu überspielen versuchten. Sie erinnerte sich an den hilflosen Versuch Kujos, zart zu sein, während er sein halbsteifes Glied an ihr rieb und seine Kameraden ihm aufmunternde Obszönitäten zuriefen.
Sie hatte versucht, an nichts zu denken, sich nicht zu wehren, nicht zu schreien. Nur einmal hätte sie brüllen mögen, wenn sie gekonnt hätte – als Djonjon sich den Weg durch die
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