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Russisch Blut

Titel: Russisch Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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ersten Bellen dunkel geworden. Und dann taumelten unten aus der Tür zum Turmflügel zwei Gestalten, atemlos lachend, verfolgt von Zeus, dessen Schlappohren wie Fahnen hinter ihm her wehten.
    Sie stand an Bergens Brust gelehnt, der die Arme um sie gelegt hatte und leise lachte. »Ein Liebespaar«, sagte er.
    »Eher Noa und Mark«, flüsterte Katalina. Sie machte keine Anstalten, sich aus der Umarmung zu lösen. Es tat gut, genau so, wie es war. Er bewegte sich nicht, umarmte sie nicht fester, versuchte nicht, sie zu küssen. Sie spürte etwas Ungewohntes. Ruhe.
    Noa und Mark stürmten über den Hof und zum Tor hinaus, gefolgt von dem kleinen Kläffer, der erst stehenblieb, als Moritz einen Zischlaut von sich gab, der so leise war, daß sogar sie ihn kaum hörte. Katalina löste sich verlegen aus der Umarmung, die ihr eben noch ganz normal vorgekommen war. Sie fröstelte. Die Wärme seiner Arme hatte sie vergessen lassen, was sie umtrieb: viel zu viele Fragen, deren Antworten sie fürchtete.
    »Und jetzt wüßte ich gerne, wer da mit der Taschenlampe unterwegs war.« Moritz machte Anstalten, zum Gartenflügel hinüberzugehen.
    Der Graf, dachte Katalina. Und der darf in seinem eigenen Schloß machen, was er will. »Nein!« flüsterte sie.
    Moritz legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie schüttelte sie ab.
    »Sie sind verdächtig oft zur Stelle, wenn auf dem Schloß was los ist. Was suchen Sie? Das, was Rust gesucht hat? Beute?« Ihre Stimme zitterte. Sie wollte nicht recht haben.
    »Ich bin nicht Sigurd Rust, Katalina. Das kann dir nicht entgangen sein.«
    »Bei Krellberg hat man kürzlich etwas gefunden – eine Gemäldesammlung. Ist es das, was Sie interessiert?«
    Moritz ging auf ihren Ton nicht ein. »Ich habe damit gerechnet, daß das eine oder andere noch auftauchen würde. Sie können nicht alles gefunden haben – die Amerikaner, Engländer, Russen. Noch nicht einmal die Schatzsucher der Stasi.«
    »Sie wußten, daß Rust für die Stasi gearbeitet hat?«
    »Ja. Deshalb habe ich seinen wissenschaftlichen Absichten nie ganz getraut.«
    »Und Sie? Sie treten sein Erbe an?«
    »Nicht seins. Höchstens meins.« Seine Stimme war noch leiser geworden. »Ich suche nicht nach Gemälden und anderen Schätzen, Katalina. Ich suche … etwas, das für niemanden Bedeutung hat außer für mich.«
    Er klang müde. Ihr Blick ging hoch zu seinen Augen, schwarze Höhlen in der Dunkelheit. Sie horchte seiner Stimme hinterher. Sie streckte die Hand nach ihm aus.
    Die Umarmung kam unerwartet, obwohl sie beide zur selben Zeit die gleiche Bewegung machten. Der Kuß auch.
    Wenigstens, dachte sie später, hatten sie einander länger als ein, zwei Minuten in den Armen gelegen, bevor das Pandämonium losbrach, ein verdrängter, aber nie vergessener Schrecken, der sie aus Bergens Arme flüchten ließ.

6
    Nachts weckte sie eine kalte Hundeschnauze. Zeus wimmerte und brachte sich fast um vor Freude, als sie das Licht anmachte und sich aufsetzte. Ihr Gesicht war naß. Sie mußte geweint haben im Schlaf.
    Es war wieder da, alles, woran sie nie mehr hatte denken wollen. Sie sah Bergens Gesicht vor sich, gestern Nacht, beim schwachen Licht der Mondsichel. Er wirkte erst überrascht, dann besorgt, als sie sich von ihm losriß. Aber er hielt sie nicht zurück. Es hätte sie nichts zurückhalten können.
    Eine Geste hatte alle Gespenster zum Erwachen gebracht, eine Kleinigkeit, eine zärtliche Bewegung, nicht weiter wichtig. Er hatte ihr die Hand in den Nacken gelegt.
    Katalina knipste die Nachttischlampe an und ließ Zeus zu sich ins Bett kriechen. Der Hund legte die Schnauze auf ihren Arm und sah sie unverwandt an. Sie faßte sich ins Haar, dahin, wo es heute endete und wo früher ein dicker Haarzopf gehangen hatte – bis zu einem gewittrigen Spätsommertag 1992 in Glogovac.
    Katalina atmete tief ein und wieder aus.
    Sie kamen ihr auf dem Weg zum Fluß entgegen. Sie waren zu fünft. Mirko ging vorneweg, die Hände in den Taschen der Jeans vergraben, Verlegenheit im Gesicht und Trotz. Und etwas anderes, das sie nicht gleich begriff. So, dachte sie später, hatte er ausgesehen, als er den altersschwachen Hund seines Vaters erschießen mußte. Man tat so etwas nicht gerne, eigentlich, aber es machte verbotenerweise trotzdem Vergnügen. Mirko, der sie, seit sie acht Jahre alt war, jeden Tag auf dem Schulweg begleitete. Mirko, der sie hatte heiraten wollen, als er zwölf war. Mirko, der seinen Antrag wiederholte an ihrem zwanzigsten Geburtstag.

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