Russisch Blut
engste Öffnung bahnte. Aber er hatte ihr den Haarzopf in den Mund gestopft, während er an ihr übte.
Djonjon. Er war vierzehn, unschuldig und neugierig gewesen, in einem Alter, in dem andere Jungen Frösche sezieren und Katzen quälen. Er war der schlimmste.
Als keiner mehr konnte, begann Djonjon, sie zu schlagen. Er schlug mit der flachen Hand nach ihren Brüsten – es machte ihm Vergnügen, sie wie Punchingbälle hin- und herfliegen zu lassen. Als er sie ins Gesicht schlug, fiel sie in eine gnädige Ohnmacht.
Sie glaubte, es sei bereits stockdunkle Nacht, als sie wieder aufwachte. Aber es waren nur ihre Augen, die sich nicht öffnen wollten, sie waren zugeschwollen und verklebt. Als sie versuchte, auf die Knie zu kommen, hielt sie ihren prächtigen langen Haarzopf in der Hand. Sie hatten ihn ihr abgeschnitten und zwischen die Beine gestopft.
Schließlich fand man sie, hob sie auf, brachte sie nach Hause. Milo. Er wollte nicht zugeben, daß er sie suchen gegangen war. Aber er mußte etwas gehört haben. Alle hatten davon gewußt.
Das war noch nicht das schlimmste. Es war auch nicht das schlimmste, daß Milo ihr nicht zu Hilfe gekommen war, daß er nach diesem Tag kein Wort mehr mit ihr redete, daß ihr Bruder ihr die Schuld gab an dem, was seine Freunde ihr angetan hatten. Nein, das alles war nicht schlimm.
Katalina spürte, wie die Kälte wieder nach ihr griff, wenn sie an diese Nacht dachte. Es war die Nacht, in der sie Gavro abholten.
Sie mußte Moritz sagen … Was? Daß ihr all das durch den Kopf ging, als er ihr die Hand in den Nacken legte? Als er ihr ins Haar griff, das sie kurz trug, seit damals. Daß alles im Bruchteil einer Sekunde wieder da war, was sie beiseite geschoben hatte all die Jahre über – eine Erinnerung, die wuchs und wucherte, wenn man sie nicht energisch zurückdrängte.
Zeus jammerte leise im Schlaf. Sie knipste die Lampe aus und nahm den Hund in den Arm.
Es konnte nicht Moritz sein, der all das in ihr ausgelöst hatte. Sie war ja auch bei anderen Männern nicht hysterisch davongelaufen, nur, weil sie ihr an den Hals gefaßt hatten. Es war das Schloß, das schon vom ersten Tag an alles hatte wieder an die Oberfläche steigen lassen. Schloß Blanckenburg war nicht nur eine verwunschene Ruine. In seinen Mauern, dachte sie, bevor sie einschlief, hockte womöglich Schlimmeres als ein Fluch.
7
Es war schon neun Uhr, als sie aufwachte. Zeus war die Rücksicht in Person, hatte sich irgendwann aus ihrem Arm gestohlen und ans Fußende des Bettes gelegt. Wie sie ihm beibringen sollte, daß die heutige Nacht eine Ausnahme war und daß ihr Bett künftig tabu war für kleine Hunde, war ihr schleierhaft. Vielleicht sollte sie Moritz fragen, dessen Umgang mit Tieren sie immer wieder überraschte. Woher hatte der Mann das?
Der Gedanke an Moritz weckte die Erinnerung an alles andere, an das sie lieber nicht dachte. Sie schwang sich aus dem Bett und tappte hinüber ins Badezimmer. Zeus setzte sich in die halboffene Tür und sah ihr zu, wie sie sich die Zähne putzte und das Gesicht wusch. Er hatte offenbar ebensowenig Appetit wie sie.
Sie zwang sich zu Ruhe und einer Tasse Kaffee. Aber je länger sie am Küchentisch saß, ohne daß einer von Blanckenburgs Tierhaltern nach ihr verlangte, desto intensiver wurde das Gefühl, das sie zuerst gar nicht wiedererkannte, so fremd war es ihr geworden im Laufe der Jahre.
Sie war wütend. Man hatte sie belogen, von vornherein. Erst hatte man ihr die Existenz des alten Grafen verschwiegen, dann die lächerliche Geschichte vorgesetzt, er sei Almas Verflossener, den sie aufopferungsvoll pflegte, bevor er das Zeitliche segnete. Was immer die Frankens noch für schmutzige Geheimnisse haben mochten – dieses lächerliche Lügenmärchen jedenfalls ließ sie sich nicht länger gefallen.
Sie verschüttete den Kaffee, als sie vom Küchentisch aufstand. Zeus wuffte erstaunt. Aber er lief ihr hinterher, als sie aus dem Haus stürmte.
Alma kam ihr vor dem Traiteurshaus entgegen. »Mein – Mann sitzt im Gartensaal, beim Frühstück«, rief sie heiter – ein bißchen zu heiter.
Katalina blieb stehen und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Und wie lange wollen Sie mir diesen Unsinn noch erzählen?«
Alma versuchte, ein hoheitsvoll-beleidigtes Gesicht aufzusetzen.
»Soll ich Ihnen wirklich abnehmen, daß der 84jährige Herr nicht nur Ihr Verflossener ist, sondern daß Sie ihn auch noch selbstlos pflegen? Halten Sie mich für so blöd?«
»Was reden Sie
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