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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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hätten ihn nur beflügelt, er übertrieb absichtlich. Ich lehnte mich an die Wand des überdachten Abstellplatzes und klemmte die Teppichrolle mit der Kalaschnikow zwischen die Beine.
    Das Mietshaus war einige Jahre alt. Es war eins von vielen, sie füllten einen ganzen Block im alten Industriegebiet zwischen Malmi und Pukinmäki. Korhonen spähte durch das Fenster eines offenbar ausrangierten Ford Sierra, wunderte sich, dass noch keiner das Autoradio geklaut hatte. Immerhin hatte aber jemand eine Dose weißen Lack über dem hinteren Kotflügel geleert.
    Jussuf kam. Er trug seine blaue Arbeitskleidung, hatte eine Schirmmütze auf dem Kopf und eine kleine Ledertasche in der Hand.
    »Grüß dich«, sagte er fröhlich. »Meine Schicht fängt um halb sieben an. Bis dahin bin ich wohl zurück?«
    »Bestimmt. Du brauchst uns nur nach Hyrylä zu fahren.«
    »Kruzitürken, der ist Somali. Und Busfahrer«, zischte Korhonen, als wir zu Jussufs altem Kadett gingen.
    »Gut beobachtet«, sagte ich.
    Ich verzichtete darauf, Korhonen zu berichtigen oder ihm gar zu erklären, dass ich dem Mann schon in Leningrad begegnet war, an der Universität und später bei der Spezialausbildung in der Armee. Damals hatte er allerdings Shimelles geheißen. Als äthiopischer Student der Staatswissenschaften und des internationalen Rechts hatte er seine Kurse an der Universität absolviert, sorglos von seinem Stipendium gelebt und ein Zimmer im internationalen Studentenwohnheim gehabt.
    Wir hatten beide in derselben Studentenclique Fußball gespielt und uns im Winter auf höckrigen Eisbahnen beim Eishockey ausgetobt. Seinen exotischen Namen hatten wir zu Semjon umgeformt, und als freundschaftlicher Spitzname war daraus Semjonka oder Sima geworden. Besonders gut hatte ich ihn nicht gekannt, er war für mich einfach ein guter Spieler und ein stumm lächelnder, netter Kerl gewesen.
    Ich war nicht übermäßig verblüfft gewesen, als ich Shimelles später auf dem Flur des Instituts begegnete, in dem ich meine Spezialausbildung erhielt. Wir hatten uns zugenickt, aber es war im Institut nicht üblich, miteinander zu plaudern, über das Studium, den Schnaps oder Freundinnen zu reden. Und dann waren wir beide verschwunden, jeder für sich.
    Überrascht war ich allerdings, als Shimelles in meinem Büro in Hakaniemi auftauchte. Er hatte sich vergewissert, dass ich allein war, und dann begonnen, leise Russisch zu sprechen. Karppa, Karppa, hatte er sich meinen neuen Namen über die Zunge rollen lassen und erzählt, er habe über Freunde aus der Zeit in Leningrad von mir gehört. Er selbst sei nun Jussuf Kadir, und die anderen Namen könne ich vergessen, die habe es nie gegeben und wenn doch, seien sie falsch gewesen. Seiner offiziellen Geschichte zufolge war er dem Chaos in Somalia entflohen, durch ganz Europa gewandert und durch ein Familienzusammenführungsprogramm schließlich in Finnland gelandet. Die alten Zeiten habe er hinter sich gelassen, betonte er. Wir sahen uns in die Augen, und Jussuf fragte, ob ich verstanden hätte.
    Was kratzte mich das. Ich hatte nichts dagegen oder dafür. Von mir aus konnte er sich auch als Uigure und zweistimmiger Obertonsänger ausgeben. Shimelles-Jussuf lächelte und schüttelte mir die Hand und sagte, seine Erinnerung habe ihn nicht getrogen, ich sei ein gutherziger Mann.
    Jussuf hatte dann noch über die Fahrerausbildung bei den Verkehrsbetrieben und über die Schwierigkeit der finnischen Sprache geredet und sich schließlich für kleine Jobs angeboten. Ich hatte mir seine Telefonnummer notiert und ihn ein paarmal als Fahrer eingesetzt.
    Wir waren erst ein paar Hundert Meter vorangekommen, als Korhonen plötzlich Stopp rief. Jussuf bremste, und Korhonen sprang aus dem noch fahrenden Wagen, mit langen Sätzen, um nicht auf die Nase zu fallen. Jussuf brachte den Wagen vor einem grauen zweistöckigen Haus zum Stehen, hinter dem Korhonen verschwunden war. In dem Gebäude hatte sich früher ein Laden befunden, dessen Schaufenster jetzt mit Brettern vernagelt waren.
    Ich erinnerte mich, dass vor einiger Zeit, als ich in der Gegend zu tun gehabt hatte, in den Garagen auf dem Hof Autoreifen verscherbelt wurden. Jetzt war der Hof leer geräumt. Das Haus war jedoch allem Anschein nach bewohnt, denn an den Fenstern in der oberen Etage hingen grellbunte Vorhänge.
    Wir stiegen aus. Vom Hinterhof war Gebrüll zu hören.
    »Was ist denn in den gefahren?«, wunderte sich Jussuf.
    Korhonen kam um die Hausecke. Er hatte einen Jungen

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