Russische Freunde: Kriminalroman
anrufen mag ich nicht, sonst werden die Zwillinge wach und meine Bibi erschrickt«, erklärte Korhonen und fuhr bereits in Richtung Umgehungsstraße.
»Okay. So eilig haben wir es ja nicht. Wir müssen sowieso warten, bis der Morgen anbricht. Allerdings lieber außerhalb von Helsinki«, antwortete ich zustimmend.
»Du wohnst immer noch hier«, stellte ich fest.
Korhonen hatte die Umgehungsstraße beim Friedhof Malmi verlassen, war kurz vor dem Einkaufszentrum abgebogen, in Richtung Schwimmhalle gefahren und hatte den Wagen auf den Parkplatz eines kleinen Etagenhauses gelenkt.
»Ja«, antwortete Korhonen ebenso geistreich. »Warte hier, ich bin gleich wieder zurück.«
Ich blieb im Wagen sitzen. Er war schäbig und dreckig. Auf dem Boden lagen Bonbonpapierchen, Hamburgerschachteln und Sand. In den Staub auf dem Armaturenbrett hätte man Strichmännchen zeichnen können. Ich machte das Radio an, schaltete es aber gleich wieder aus und drehte das Fenster ein Stück herunter. Der Parkplatz war halb überdacht, durch einen Bretterzaun von der Straße abgetrennt und wirkte geschützt. Trotzdem wollte ich sicherstellen, dass ich alle Vorbeikommenden hörte und sah.
Korhonen ließ auf sich warten. Allmählich wurde ich unruhig, obwohl auf der Straße alles still blieb. Ich suchte im Adressbuch meines Handys nach Korhonens Nummer, doch da unter K als erster Karpow stand, rief ich ihn an. Ich wusste, dass Karpow sein Handy über Nacht ausschaltete, und erwartete die übliche Anrufbeantworterlitanei auf Finnisch und Russisch, legte mir schon zurecht, was ich auf Band sprechen wollte.
»Hallo.« Mein Freund überraschte mich, indem er sich schon nach dem ersten Klingeln meldete.
»Ich bin’s. Wieso schläfst du nicht?«, begrüßte ich ihn.
»Na ja, ich hatte bis in die Nacht Geschäfte zu erledigen und bin dann noch am Computer sitzen geblieben«, sagte Karpow. »Aber was liegt bei dir an?«
»Ich kann nicht lange reden. Aber ich hatte neulich ja schon angedeutet, dass es einige Schwierigkeiten gibt. Ehrlich gesagt, ich bin in einer beschissenen Lage. Irgendwer bedroht mich und mein Business. Ich muss mich absetzen, um die Sache zu klären. Kann sein, dass ich nach Sortavala komme.«
»Natürlich, wohin sonst als in die alte Heimat, da findest du Geborgenheit, Frieden und Ruhe«, stimmte Karpow zu. »Wann kommst du? Soll ich dich irgendwo abholen oder eine Mitfahrgelegenheit organisieren?«
»Ich komm nicht, um mich zu sonnen, ich will mich nur eine Weile verstecken. Ich werde herausfinden, wer mich jagt. Und dann bringe ich die Sache in Ordnung«, vertraute ich ihm an. »Ich glaube, die alten Freunde in Sankt Petersburg haben umdisponiert. Es reicht ihnen nicht mehr, dass ich ihnen nicht in die Quere komme. Sie wollen mein ganzes Business für sich.«
»Zum Teufel mit den Kerlen«, schimpfte Karpow. »So was von hinterhältig! Sie beteuern ihre Freundschaft, aber wenn der Rubel winkt, stoßen sie einem das Messer in den Rücken und schnappen sich das Geld.«
»Ich bin noch nicht sicher, wer dahintersteckt. Aber bei der Menge an Männern, Autos und Munitzjonn glaub ich nicht, dass es ein Alleinunternehmer ist«, räsonierte ich.
»Der arme Kärppä hat’s nicht leicht«, antwortete Karpow Anteil nehmend. »Bist du allein? Ach nein, Aljoscha hilft dir natürlich.«
»Mein Brüderlein ist nicht direkt kampferprobt, den halt ich lieber raus. Er kümmert sich um Marja. Und das ist gut. Aber ansonsten bin ich allein. Das heißt, der Korhonen, dieser Polizist, war vorhin dabei. Er hat mich chauffiert. Jetzt hock ich gerade auf seinem Parkplatz und frag mich, was er so lange rumtrödelt.«
»Ach ja, an den erinnere ich mich. Der ist ja total durch den Wind, völlig unberechenbar. Wenn du mich fragst, der ist nicht ganz gesund, jedenfalls damals, als ich ihn bei dir gesehen hab.« Karpow seufzte. »Komm nur her, dann gehen wir in die Sauna und reden in aller Ruhe. Ich hör mich auch mal um, was in Sankt Petersburg abläuft, obwohl ich hier eigentlich versuche, nicht aufzufallen. Das ist für meine Geschäfte das Klügste.«
Ich versprach ihm, meine Ankunft rechtzeitig anzukündigen, und verabschiedete mich. Korhonen kam auf den Wagen zu. Er hatte sich umgezogen, nun trug er eine saubere Jeans und einen weich aussehenden, hellen Wildlederblouson. Mit der einen Hand schleppte er zwei Sporttaschen, die fast über den Boden schleiften, in der anderen Hand trug er eine Plastiktüte.
»Ich hab Proviant mitgebracht. In
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