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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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dünner und zarter. Korhonen nickte ein, wurde im Lauf des Morgens aber frischer und hielt mir einen Vortrag über die Besonderheiten der Landwirtschaft in dieser Gegend. Er erklärte, in der Provinz Kainuu seien die Felder nur kleine Flicken, es gebe kilometerweit Sümpfe und Graswüsten, auf denen nichts gedeihe. Ich nickte und schwieg. Auch ohne Vorlesung sah ich, wie sich die Natur veränderte.
    Korhonen schilderte mir die Geschichte der verlassenen Höfe. Er rührte sich selbst fast zu Tränen, als er sich zuerst in die harte Arbeit des Rodens und dann in die Landflucht einfühlte: Man ließ die Felder brachliegen, verriegelte die Türen und machte damit das Ergebnis all der Plackerei zunichte. Bald darauf jauchzte er jedoch wie ein Kind, denn er hatte am Straßenrand einen Elch entdeckt, und gleich darauf sah er auf einem See ein Schwanenpaar.
    Ich fuhr und brummte gelegentlich zustimmend, dachte in Wirklichkeit jedoch an ganz andere Dinge. Ich versuchte, mich zu konzentrieren und alle meine Gedanken in eine einzige Röhre zu lenken, sodass Druck und Strömung zunahmen und kein einziger Tropfen verloren ging. Ich brauchte alle meine Informationen, Ideen und Geistesblitze.
    Helsinki und die Baustellen und die Halle und mein verbranntes Haus blieben immer weiter zurück. Mein Unterbewusstsein zog mich jedoch zu dem Haus in Tapanila. Ich trauerte um meine Sammlung von Melodija-Schallplatten und um die Offiziersmütze meines Vaters, die an der Wand gehangen hatte und am Haken verbrannt war. Ich dachte an die Zuschauer, die das Wüten des Feuers verfolgt hatten wie eine Theateraufführung und denen zum selben Preis außer dem Lodern der Flammen und dem Nebel des Löschwassers auch noch ein Kampf geboten worden war.
    Was mochten die Nachbarn denken? Einige Bekannte hatten verwundert zugesehen, als ich meine Verfolger zusammenschlug, und dank der Kinder im Publikum würde die ganze Ortschaft erfahren, was passiert war. Mehr als um alles andere trauerte ich darum, dass mein Versuch, ein normaler Eigenheimbewohner zu sein, mit dem Löschwasser in die Asche gespült worden war.
    Ich hatte mich bemüht, der Ehrbarste unter den Ehrbaren zu sein. Ich ging zum Basar des Sportvereins und unterschrieb die Bürgerinitiative gegen die Schließung der Bibliothek, ich kaufte Schülerzeitungen und die kleinen Plastikblümchen bei der Spendensammlung am Ersten Mai und Lose zugunsten von Ferienlagern und spendete bei jeder karitativen Aktion einen Fünfer. Gegenüber den Nachbarn war ich betont höflich, aber zugleich zwanglos, ich verlieh mein Werkzeug und meinen Anhänger und half bei allen Arbeiten mit, schippte Schnee über meinen eigenen Anteil hinaus.
    Im Herbst machte ich mit Marja brav die Runde, trank Weißwein unter Apfelbäumen, hörte mir die Klagen von Architekten und Lehrern und irgendwelchen Computerexperten über die Härte des Lebens und des Geschäfts an, darüber, dass mit den Kindern nichts anzufangen war und dass die Zuschüsse für Kulturprojekte viel zu knapp bemessen waren. Ich lächelte teilnahmsvoll, bis mir die Backen schmerzten, und schwieg zustimmend. Und all das nur, damit mir keiner nachsagte, ich wäre ein Gauner oder einer von diesen Sozialbetrügern und Parasiten. Oder ein Schürzenjäger, einer der berüchtigten karelischen Shemeikkas, zum Teufel. Und vor allem, damit niemand mich einen verdammten Iwan nannte.
    »Bist du schon alterssichtig?«, fragte Korhonen plötzlich, holte mich zurück auf die Landstraße.
    »Hä?« Ich erwartete eine Wiederholung oder Erklärung, doch Korhonen studierte das Etikett einer Entfrosterflasche, die er im Handschuhfach entdeckt hatte. Er hielt sie mit ausgestreckten Armen weit von sich ab, dann wieder dicht vor die Augen und murmelte die Produktinformation vor sich hin.
    Ich schaltete in den Leerlauf, ließ den Wagen ausrollen und parkte auf dem Seitenstreifen.
    »Gib mir dein Handy«, kommandierte ich. »Und deine PIN .«
    Das Telefon akzeptierte die vier Ziffern. Ciao Teppopo , erschien als Begrüßung auf dem Display.
    »Das haben die Kinder gemacht. Ich hab keine Ahnung, wie man das wegkriegt«, verteidigte sich Korhonen.
    Ich ging hinter den Wagen und rief meinen eigenen Anrufbeantworter an. Aleksej hatte am vorigen Abend die Nachricht hinterlassen, alles sei einigermaßen in Ordnung, mal abgesehen davon, dass Russland das Eröffnungsspiel der Fußball- EM verloren hatte. Danach sagte Marja, mach dir keine Sorgen, Viktorschatz, aber pass auf dich auf. Ich

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