Russische Freunde: Kriminalroman
»Eikka, renn ma’ gleich zum Büro von dem Korhonen-Pali, da hockt immer einer zum Aufpassen. Sach ihm, er soll die Pollerzei anrufen, wir halten den Kerl so lang in Schach.«
»Halt, halt, Jungs«, versuchte ich sie auf Finnisch zu besänftigen und möglichst friedlich und ehrlich zu klingen. »Kein Grund zur Aufregung. Das ist alles nur ein Missverständnis …«
»Mannomann, der is’ mit allen Wassern gewaschen. Vorsicht, Aaro, er hat ’n Messer«, rief der Mittlere und stürzte sich auf mich. Der zweite Mann versuchte ihm zu folgen, während der dritte erstarrte. Ich duckte mich und wich dem ersten Angreifer aus, packte ihn mit Schwung am Jackenkragen und beförderte ihn unter den nächsten Zierstrauch. Er plumpste weich auf das Hackgut.
Auch der zweite setzte seinen Ansturm fort, obwohl ihn schon die zwei Zentimeter hohe Bordkante fast zu Fall gebracht hätte. Rasch klappte ich das Messer zusammen, damit er mir nicht versehentlich in die Klinge lief. Dann packte ich ihn am Arm und warf ihn zu Boden, drehte ihm den Arm so weit in den Rücken, dass er vor Schmerz aufstöhnte. Er roch nach reichlich Schnaps.
»Ihr habt das falsch verstanden«, sagte ich.
»Ja, Leute, das kann ich bestätigen«, rief Korhonen durch den Fensterspalt. »Ich bin Korhonen von der Helsinkier Polizei«, erklärte er und zeigte seinen Dienstausweis. »Und der Campingkaiser Korhonen-Pali ist mein Onkel. Meinen Freund hier könnt ihr meinetwegen Salvador Dali nennen. Er ist von der Einheit für Ostkriminalität und dienstlich hier. Also verzieht euch zu euren Reusen oder zur Mutti in die Heia und haltet das Maul.«
Korhonen stützte die Ellbogen auf die Fensterbank und beobachtete, wie das Trio sich auf dem Pfad gruppierte. Die Männer klopften sich Erde von den Hosenbeinen und beteuerten ihr Verständnis und ihre Unterstützung. Ihr Wortführer, der mich als Erster angegriffen hatte, demonstrierte mit den Fingern, dass seine Lippen versiegelt seien.
»Wir hätten uns ja gar nich’ so aufgeführt, aber auf dem Parkplatz stand ein Auto mit russischem Nummernschild. Da is’ so ein Riesenkoloss rumgerannt, mit Gaunervisage, und hat überall hingeluchst. Na ja, und da ham wir eben eins und eins zusammengezählt und sind auf drei gekommen …«
»Verdammt noch mal, die haben uns aufgespürt«, wetterte ich und lief zur Tür. Korhonen winkte die Männer fort und schloss mir auf.
»Einpacken und los«, sagte ich.
Korhonen begnügte sich ausnahmsweise damit, stumm zu nicken.
13
Der staubige schwarze Opel stand in derselben Reihe wie unser Wagen. Dem Kennzeichen nach war er in Sankt Petersburg zugelassen, aber die Aufkleber am Rückfenster bezeugten, dass er ursprünglich irgendeinem Helmut oder einer Esther in Mannheim gehört hatte. Von seinem gegenwärtigen Fahrer oder weiteren Passagieren war nichts zu sehen.
Wir lagen im Schutz einer Hecke am Rand des Parkplatzes. Nichts regte sich. Nur die Vögel priesen zwitschernd ihre Qualitäten als Nestbauer an.
»Hier ist keiner«, schnaubte Korhonen. »Die Karre gehört bestimmt einem harmlosen Reisenden aus Sortavala, der sich für die Nacht eine Hütte gemietet hat.«
»Wir haben doch vertrauenswürdige Zeugen. Deine Aboriginalverwandten«, erinnerte ich ihn. »Und du hast zugelassen, dass sich die ganze Horde auf mich stürzt.«
»Drei betrunkene Kerle. Mit solchen Typen wirst du doch fertig.«
»Aber zuerst hast du mich bei einem Einbruchsversuch beobachtet.«
»Es war eine Freude, dir dabei zuzuschauen. Allerdings möchte ich dich an den moralischen Aspekt der Sache erinnern. Ich gebe fleischlichen Versuchungen nicht so leicht nach wie gewisse andere Leute«, brüstete sich Korhonen.
»Ich hab nichts getan«, verteidigte ich mich blöderweise.
»Ach. Unser Viktor ist also auch leer ausgegangen«, konstatierte Korhonen.
Von der Landstraße schallte das Brummen eines näherkommenden Lasters herüber. Ich nickte Korhonen zu, und wir sprinteten zum Audi. Der Motor sprang anstandslos an. In der nächsten Sekunde rollte der Wagen bereits auf den Asphalt. Ich beschleunigte gleichmäßig und behielt den Rückspiegel im Auge, entdeckte aber keine Verfolger. Korhonen schaute eine Weile durch das Heckfenster, drehte sich dann in Fahrtrichtung und suchte im Radio nach einem Sender, der auch in den ersten Morgenstunden Programm ausstrahlte.
Der Sommer wurde jünger, je weiter wir nach Norden kamen. Die Blätter an den Bäumen waren noch am Anfang ihrer Wachstumsphase, das Grün war
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