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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Voznesenski-Prospekt in der Nähe der Admiralität zu melden. Ich glaubte, irgendein Lokalhengst wolle mich wegen meiner Absicht, nach Finnland auszureisen, ins Verhör nehmen oder mir einen Partisanenschlafsack in Rechnung stellen, dessen Verschwinden erst nachträglich aufgefallen war. Doch in der Dienststelle eskortierte man mich zu einem schweigsamen Oberst. Er reichte mir einen versiegelten Umschlag, salutierte und ging, zeigte mir nur mit einer Geste, dass ich das Papier in einem großen Aschenbecher verbrennen sollte. Der Umschlag enthielt einen einzigen beschriebenen und abgestempelten Bogen. Die meisten Eintragungen waren geschwärzt worden, nur zwei Absätze waren lesbar. Sie enthielten ein neues Kennwort für Kuhmo und die Information, dass Ilomantsi vorläufig nicht in Gebrauch war.
    Wir ließen den Audi hinter einer Tankstelle stehen und deponierten den Schlüssel an der Kasse. Ich erklärte dem Pächter, ein Touristenbus würde uns auflesen. Wir wollten die Schlachtfelder des Fortsetzungskriegs besichtigen, sagte ich, die Kis-Kis-Hügel und den Eldanka-See. Anschließend würden wir den Wagen wieder abholen. Ich bot an, eine Parkgebühr zu zahlen, doch der Pächter meinte, das sei nicht nötig, Platz sei ja genug. Ich bedankte mich, und wir gingen mit unseren Taschen zum Straßenrand.
    An der Haltestelle vergewisserte ich mich, dass uns niemand beobachtete, befahl Korhonen, mir zu folgen, und lief in den Wald. Anhand von Uhr und Sonnenstand stellte ich die Richtung fest, erkannte den Landrücken und die Stromleitung und bald darauf den kleinen Tümpel, alles genau so, wie ich es von der Landkarte in Erinnerung hatte. Der Pfad war teilweise zugewachsen, und die Furchen, die die Kufen der Motorschlitten in den Boden gezeichnet hatten, wirkten ein wenig irritierend, doch ich wusste, dass wir in einer guten halben Stunde auf das richtige Haus stoßen würden.
    Auf der Treppe erwartete uns ein alter Mann. Er trug seine Sonntagshose und ein kariertes Hemd, an dem noch die Verpackungsfalten zu sehen waren. Ich erinnerte Korhonen daran, dass er die Lippen einzurollen hatte. Korhonen grummelte, er könne sich auch in eine Biskuitrolle verwandeln, wenn er mich damit glücklich mache.
    »Allen Ernstes. Du bist stumm und taub, oder ich versenk dich im Moor«, drohte ich. Korhonen verdrehte die Augen und grunzte irgendwas, verstummte aber, sobald wir in Hörweite des Mannes kamen.
    »Guten Tag.« Eljas Juutilainen begrüßte uns mit Handschlag und bat uns ins Haus.
    Er wolle Piroggen aufwärmen, und Kaffee könne er uns auch anbieten.
    »Hier ist man ungestört«, versicherte er. »Ich bin schon mehr als zehn Jahre Witwer, lebe allein, und zu den nächsten Nachbarn sind es anderthalb Kilometer. Die sind auch schon alt geworden, rennen nicht im Wald herum. Höchstens, um Beeren oder Pilze zu sammeln, aber an den Abhängen hier wachsen nicht viele Beeren. Und jetzt im Frühling, oder eigentlich ist es ja schon Frühsommer, na egal, jedenfalls geht jetzt noch keiner in die Beeren. Es sei denn, man sieht sich die unreifen Früchte an, prägt sich schon mal die Stellen ein, wo man dann im Herbst Blaubeeren findet. Obwohl es mit den Blaubeeren ja keiner so genau nimmt. Multbeeren, ja, das ist was anderes, die sind so wertvoll, dass man keinem verrät, wo sie wachsen, lieber lässt man sie im Sumpf verfaulen, als dass man sie dem Nachbarn gönnt …«
    »Guten Tag. Danke. Wir wollen gleich weiter«, unterbrach ich den Redefluss des einsamen Mannes. Juutilainen nickte verständnisvoll. Er hielt sich immer noch gerade, war aber im Alter hager geworden. Die schlotternde Kleidung erinnerte an die vergangene Masse und Kraft seiner Muskeln.
    Juutilainen ging uns voran ins Haus. Veranda und Diele hatten holzgetäfelte Wände und Decken. Das Holz war unter dem klaren Lack gedunkelt.
    »Das Haus haben wir sechsundfünfzig gebaut. Wir hatten ein paar Kühe, und in der Saison war ich als Holzfäller auf Achse«, erzählte Juutilainen, öffnete eine niedrige Tür mit Birkenholzfurnier und bedeutete uns, nach oben zu gehen. Der Fußboden war eine einzige offene Fläche aus Dielen. Es roch nach Sägemehl und alten Zeitungen, und unter dem Blechdach war es warm. In die Dachbalken waren Nägel eingeschlagen, an denen Kleiderbeutel aus Papier hingen.
    Ich öffnete das Giebelfenster einen Spaltbreit und räusperte mich. Juutilainen schrak aus seinen Erinnerungen auf, murmelte halblaut eine Entschuldigung, kniete dann an der Wand nieder und

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