Russische Freunde: Kriminalroman
löste zwei Planken am äußersten Rand. Er nahm einen Stoffbeutel aus dem Versteck, legte ihn auf den Boden und zog einen dunkelgrünen, länglichen Blechkasten heraus.
»Es ist kein einziges Mal benutzt worden. Jedenfalls nicht in unserer Zeit«, präzisierte er und hielt mir den schweren Kasten würdevoll hin. Ich nahm ihn entgegen und blieb abwartend stehen. Juutilainen räusperte sich und sagte, er werde doch Kaffee kochen.
Ich wies Korhonen an, einen alten Stuhl ans Fenster zu rücken, stellte die Kiste auf den Stuhl und ließ die Riegel am einen Ende aufschnappen. Dann schob ich die mit Scharnieren versehene Luke zur Seite und nahm Antennendraht und Kabel aus dem Stoffbeutel.
»Das ist ja ein Funkgerät«, wisperte Korhonen.
»Ja. Eine R 105 D . Ein zuverlässiges Ding. Die wurden bei uns viel verwendet. Und in Ostdeutschland auch. Braucht wenig Saft und hat trotzdem eine Reichweite von an die fünfzig Kilometer«, erklärte ich.
Im Zubehörbeutel lag ein Kompass. Ich überprüfte am Fenster die Richtung und schickte Korhonen nach draußen.
»Ich werf die Drahtantenne aus dem Fenster. Du ziehst sie über einen Ast an der Birke da drüben, so hoch, wie du klettern kannst. Dann befestigst du sie in Bodennähe an einem passenden Baum, sodass ein Dreieck entsteht. Die Seiten sollten aber möglichst die gleiche Richtung haben.«
Ich nahm die Akkus des Funkgeräts aus ihrem Gehäuse. Sie waren nicht ausgelaufen, aber mir war klar, dass sie schon seit einer Ewigkeit leer sein mussten. Deshalb hatte ich an der Tankstelle Isolierband und vier flache Taschenlampenbatterien gekauft. Ich klebte die Batterien gleichpolig aneinander und verband die Kontaktzungen mit Kupferdraht zur Parallelschaltung, um eine gleichmäßige Spannung von viereinhalb Volt zu erhalten. Zum Schluss verband ich die Drähte der Plus- und Minuspole mit dem Funkgerät.
Korhonen kam zurück. »Die Antenne ist am Platz. Funktioniert das Ding?«, zischelte er.
Ich schaltete das Funkgerät ein. Brummend erwärmte es sich. Vorsichtshalber drehte ich die Lautstärke herunter und schaltete die Beleuchtung der Messanzeige ganz ab, damit der Strom aus den Batterien auch sicher reichen würde.
»Ja, es läuft. Still jetzt«, kommandierte ich.
Ich vergewisserte mich, dass das Kabel der Sprechvorrichtung, die die Form eines Telefonhörers hatte, ordentlich befestigt war, und begann die vereinbarte Litanei aus zehn Städtenamen herunterzubeten. Dann überprüfte ich die Einstellung und wollte gerade von vorn beginnen, bei Omsk, Tomsk und Topolsk, als es im Hörer rauschte.
»Hier Station Norden, ich höre«, sagte eine Männerstimme klar und deutlich. Sever , Norden, die Baritonstimme artikulierte das Wort so sorgfältig wie der Ansager, der bei Radio Moskau den Wetterbericht verlas.
Ich verschwendete keine Zeit damit, die makellose Verbindung zu bewundern, sondern spulte aus dem Gedächtnis die Angaben über meinen Code und dann eine Kombination aus Ziffern und Buchstaben ab. Der Funker bat mich, das Ganze zu wiederholen, und schrieb die Zeichen auf, ließ sie sich noch einmal von mir bestätigen und brach die Verbindung ab. Ich schaltete den Strom aus.
Der Funkverkehr hatte störungsfrei funktioniert, und die Empfangsstation hatte sich in keiner Weise über meine Kontaktaufnahme gewundert. Nun konnte ich nur hoffen, dass der Funker meine Nachricht an einen Offizier weiterleitete, der hochrangig genug war, um den Identifizierungscode zu erkennen, und der sich die Mühe machte, die alten Dechiffrierungstabellen hervorzukramen und meine Nachricht zu entschlüsseln. Na ja, die Grenztruppen unterstanden nach wie vor dem FSB , also waren die Leute wohl diensteifriger als anderswo, tröstete ich mich.
Ich packte das Funkgerät in seine Kiste und riss den Kupferdraht und das Isolierband von den Batterien ab. Korhonen baute die Antenne ab, und ich stopfte das Zubehör in den Stoffbeutel.
»Wir brechen jetzt auf. Der Alte wird uns ein Stück begleiten«, sagte ich.
»Mensch, lass uns wenigstens den Kaffee trinken. Du warst so barsch zu dem alten Mann, hast ihn glatt rausgeschmissen, als du deine Stereoanlage getestet hast. Du könntest ein bisschen rücksichtsvoller sein«, tadelte Korhonen.
»Ich habe exakt nach Vorschrift gehandelt und von dem Alten nur verlangt, dass er das ebenfalls tut. So ist es am sichersten für uns. Sonst fragt der Mann sich nur, Moment mal, wer sind diese jovialen Typen eigentlich. Die verhalten sich ja ganz anders, als es
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