Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
Vom Netzwerk:
Ring und sagte, er habe ihren Zivilstand falsch erraten. Und ihre Hütte sei nicht einmal einen Kilometer entfernt, liege hinter zwei Landzungen, einfach nur den Pfad lang, sie würden alleine hinfinden, ohne Kompass und Orientierungshilfe. Korhonen erwiderte, das Verheiratetsein sehe er nicht so eng und als Gentlemen würden wir selbstverständlich dafür sorgen, dass weibliche Wesen ungefährdet nach Hause kamen. Gleichzeitig könnten wir für die Meisterschaft im Orientierungslauf trainieren.
    Das Sommerhaus stammte aus der Hobelbalkenkollektion einer Villenschreinerei. Praktischer Grundriss, geräumig, mit großem Alkoven und soliden Ökowänden, so war es vermutlich im Katalog beschrieben. Die hausbreite Terrasse lag zum See, die Fenster hatten kleine Scheiben, und das Dach war steil wie in den Alpen. Korhonen verschwand mit Ansku im Haus. Ich folgte Titta auf den Bootssteg.
    »Bist du verheiratet?«, fragte sie und blickte über das Wasser. Die Sonne kündigte ihren Aufgang an, indem sie die Umrisse einer Insel vergoldete.
    »Verheiratet nicht, aber auch nicht ganz frei«, antwortete ich ehrlich.
    »Hast du Kinder?«
    »Nein.«
    Ich wusste, dass Titta mir gleich von Nichtenneffen oder Patenkindern erzählen würde, deren Lieblingstante sie sei und mit denen sie Qualitätszeit verbringe. Ich sah eine saubere Dreizimmerwohnung in halbwegs guter Lage vor mir, Trockenblumen in einem Tonkrug und Grafiken an den Wänden, ein Kunstbuch auf dem Sofatisch, und hörte, wie die biologische Uhr Kinderalarm schrillte.
    »Mein Bruder hat zwei Kinder, Oskari und Viivi. Sie besuchen mich oft, dann kochen wir lecker und gehen ins Kino«, sagte Titta. »Ich finde es toll, ihre junge, interessante Tante zu sein, beinahe eine Art Freundin.«
    Wir küssten uns. Titta umklammerte mich wie einen Rettungsring, drückte mich, zog zwischendurch den Kopf zurück und schaute nach oben, irgendwohin, keuchte fast und kehrte dann wieder zu meinen Lippen zurück, gierig.
    »Schläfst du mit mir?«, fragte sie.
    Bruchstücke aus einem Lied oder Gedicht fielen mir ein, in dem es um die Frage ging, ob man den traurigen Augen oder dem buntfröhlichen Tuch eines Mädchens glauben soll. Ich bekam den Vers nicht zusammen, konnte mich nicht einmal mehr erinnern, ob ich ihn auf Finnisch oder Russisch gekannt hatte.
    »Ich glaube nicht«, lehnte ich so freundlich wie möglich ab. Ich umarmte Titta zum Abschied und dachte, jetzt bist du enttäuscht, aber glaub mir, die Enttäuschung wäre schlimmer, wenn ich morgen früh wegginge und du mir ganz umsonst deine Handynummer mitgäbest.
    »Ich meinte bloß, es wäre schön, morgen nicht allein aufzuwachen«, sagte Titta. Sie bemühte sich, leichthin zu sprechen, klang aber wie ein Kind, das genau weiß, dass ein Monster unter dem Bett hervorkriecht, sobald es die Augen schließt. Sie gab mir noch einen Kuss und ging ins Haus.
    Ich machte mich auf den Weg ins Feriendorf. Während ich dem Pfad folgte, dachte ich an Korhonen, der sich mit Ansku vergnügte. Ich war ein wenig neidisch und überlegte, ob ich umkehren sollte.
    Die Tür zu unserer Hütte war abgeschlossen. Den Schlüssel hatte Korhonen. Ich ging prüfend um das Haus und beschloss, ein Fenster aufzuhebeln. Mit der Klinge meines Taschenmessers ruckelte ich an der Stelle, wo der Riegel sitzen musste. Die Zunge wollte gerade aus ihrer Vertiefung springen, als ich merkte, dass jemand hinter mir auf dem Sandweg stand. Ich hätte nicht sagen können, ob ich einen schwachen Reflex in der Fensterscheibe wahrnahm, ob der Kies unter einer Schuhsohle knirschte oder ob der Wind mir das Geruchsmolekül eines Rasierwassers zugetragen hatte. Aber ich war sicher, dass mir jemand auf den Nacken starrte.
    Es waren drei Männer. Sie hatten sich mit herabhängenden Armen in einer Reihe aufgebaut.
    Schon wieder knallbunte Sommerhemden, erbärmliche dunkle Anoraks und verfilzte Haare, meckerte ich in Gedanken. In welchem Schweinestall werden diese Typen eigentlich gezeugt oder aufgezogen? Eine Schande für Mütterchen Russland.
    »Um diese Zeit solltet ihr längst schlafen, Kinderchen. Oder soll der liebe Onkel euch zudecken und in den Schlaf singen?«, säuselte ich auf Russisch.
    Mein Spott flog ihnen ins Gesicht wie giftige Spucke, und ich wusste, dass ich wieder Angst hatte. Ich stellte mir vor, wie das Adrenalin den Alkohol in meinem Blut verdampfen ließ, und war schlagartig stocknüchtern.
    »Ein Scheißrusse beim Einbrechen«, grölte der Mittlere der Männer.

Weitere Kostenlose Bücher