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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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vorbei, aus denen tote Bäume wie verkohlte Kreuze aufragten. Korhonen mokierte sich über den schlechten Zustand der Straße und kritisierte die Vergeudung bei der Abholzung. Von den gefällten Stämmen waren so viele liegen geblieben, dass sie seiner Schätzung nach den Jahresbedarf einer ganzen Papierfabrik gedeckt hätten. Ich stimmte ihm nicht zu, obwohl das Ärgernis auch mir in die Augen stach.
    Korhonen betrank sich in stetigem Tempo, quasselte vor sich hin und trällerte seine Lieder. Auf einer besonders öden Etappe wurde er beinahe schwermütig, lachte aber bald wieder, als er in einer überfluteten Talsenke Baumstämme sah, die die Form frisch gespitzter Bleistifte hatten.
    »Der Biberingenieur hat die Norm übererfüllt«, meinte er bewundernd.
    Ich bat ihn nicht um einen Schluck Wodka, obwohl ich das Gefühl hatte, einen Schnaps vertragen zu können. Oder vielleicht eher eine ganze Flasche, einen alles auslöschenden Rausch, das Gefühl, mich in warme Besinnungslosigkeit zu verkriechen wie in Mutters Schoß.
    Ich betrachtete die vorbeihuschenden Birkenwälder, die reißenden Flüsse in den schluchtartigen Tälern, umgestürzte Strommasten, vergessene Röhren und Backsteinhaufen, denen vielleicht noch der Geruch eines längst erkalteten Schornsteins anhaftete.
    Aus den Fängen des Bären ins Maul des Wolfes, so eilig hat es der Hase, hätte Mutter wohl zu dieser Reise gesagt. Es hätte sich nach Schimpfen und Vorwürfen angehört, aber ich hätte gewusst, dass unmittelbar unter dem Tadel Sorge und Zustimmung lagen.
    Korhonen wurde wach, als der Uaz an der Kreuzung mit der Fernstraße ruckelnd zum Stehen kam. Er hatte immer schneller getrunken, je besser die Straße wurde. In Lietmajärvi war er noch fähig gewesen, Werbesprüche für den Ort zu erfinden: »Lietmajärvi – Platz für Unternehmer« und »Lietmajärvi – die Perle im Morast«. Aber dann war er bald eingeschlafen, schnarchend, einen Speicheltropfen im Mund, die Flasche unter den Arm geklemmt.
    »M 18. Das ist wohl die Nummer der Straße. Murmansk 654, Sankt Petersburg 822. Oh verdammt, da sind wir aber weit weg, Freunde«, kommentierte Korhonen das Hinweisschild.
    Zu beiden Seiten der Fernstraße waren breite Streifen abgeholzt worden. Von oben sieht das wahrscheinlich aus wie abgespult, als hätte ein Riese eine Luftschlange aus Asphalt in die Ödnis geworfen, dachte ich. Das Band verlief gerade, passte sich aber der Bodenform an.
    Firsow blickte mit übertriebener Sorgfalt nach links und rechts und wartete auf ein herankommendes Fahrzeug, das im Norden in Fliegengröße zu sehen war. Der schwarze Punkt wuchs und wurde zum Holztransporter. Es war ein alter Gaz, fast noch aus der Sowjetzeit. Er schaukelte an uns vorbei wie ein löchriges Frachtschiff, mit einem rußgeschwärzten Fetzen statt Billigfahne am Heck. Firsow überquerte die Fernstraße und fuhr weiter in Richtung Weißmeer-Kemi.
    »Jetzt ist es nicht mehr weit. Sieh zu, dass du einen klaren Kopf bekommst«, warnte ich Korhonen.
    »Mach dir keine Sorgen, junger Freund«, antwortete er, und ich wusste, dass ich allen Grund zur Sorge hatte. » Fürchte nicht die Nacht, wir halten dir die Wacht «, schmetterte er. Firsow beobachtete sein Treiben im Rückspiegel.
    Der Zaun um das Flugplatzareal verlief stellenweise unmittelbar am Straßenrand. Die mit Kies und Erde landschaftsgestalteten Hangars bildeten große, grasbewachsene Hügel. Wir kamen an ein paar Brettertoren vorbei. Ich wagte nicht, Firsow die Abkürzung über die Startbahnen nehmen zu lassen, deshalb riet ich ihm, durch das Zentrum von Sokol zu fahren.
    »Au verdammt«, sagte Korhonen, als wir eine MiG auf einem Stahlsockel passierten. Er bewunderte das alte Kampfflugzeug und schüttelte zugleich den Kopf über die Ortschaft, die in Vergessenheit geraten war und nun langsam dahinsiechte.
    »Hier war es früher ganz lebhaft. Piloten, Leute vom Stab, Radarexperten, Mechaniker, Funker … es gab Reparaturwerkstätten und Garküchen und Bäckereien und Reinigungen, in den Geschäften waren Bananen zu kaufen, und für die Offiziere gab es Hotelurlaub in Jalta. Aufs Gehalt wurde eine Nordzulage draufgeschlagen, und die Flugzeuge waren die neuesten Suchois und MiGs«, erklärte ich. »Dann reichte das Geld nicht mehr zum Fliegen, die nördliche Strategie wurde neu überdacht und das Kampffliegerregiment aufgelöst.«
    Korhonen nickte zwar, aber ich war mir nicht sicher, wie viel er mitbekommen hatte. Er schüttelte den Kopf

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