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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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ich.
    Routinemäßig beobachtete ich die Passanten, obwohl ich nicht damit rechnete, dass ich schon hier observiert wurde. Zudem verließ ich mich auf die alte Weisheit, eine Menschenmenge sei das beste Versteck. Ein großer Citroën glitt langsam vorbei. Plötzlich wurde mir klar, dass ich ihn gerade eben schon einmal bemerkt hatte, als er in entgegengesetzter Richtung vorbeigefahren war. Ich hatte überlegt, ob der alte Franzose für die hiesigen Straßen geeignet war, hatte auch den Rost an den Türkanten und die abgebrochene Antenne registriert.
    In dem Wagen saßen zwei Männer. Sie schauten nicht auf die Menschenmenge, sondern starrten die graue Wand des Plattenbaus auf der anderen Straßenseite an, als sie an mir vorbeifuhren. Der Citroën bog auf den Parkplatz, blieb schaukelnd und zischend stehen. Die Männer stiegen aus. Ich ahnte Böses.
    Ich bemühte mich, gelassen zu wirken, während ich auf die Ecke zuging, hinter der unser Fahrer im Jeep wartete. Die Männer aus dem Citroën setzten sich in Trab und schnitten mir den Weg ab. Ich blieb stehen und lächelte arglos.
    Der Mann, der am Steuer gesessen hatte, blieb etwa zwei Meter vor mir stehen. Er steckte verlegen die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans, spuckte aus und bohrte die Spitze seines Turnschuhs in eine Kuhle im Asphalt. Der andere Mann war untersetzt, sein Gesicht war gerötet und schweißüberströmt. Er trat zu mir und zeigte mir, wie die Pistole in seiner Jackentasche den Stoff spannte.
    »Viktor Nikolajewitsch, kommen Sie bitte mit uns«, sagte er mit bäurischer Höflichkeit.
    Die Männer führten mich zu ihrem Wagen. Der Fahrer öffnete die Tür zum Fond und bückte sich, um diversen Krimskrams von der Rückbank zu räumen. Ich lächelte verständnisvoll und anteilnehmend, ach ja, es sammelt sich immer so viel Zeug an. Sei vorsichtig, mahnte ich mich in Gedanken.
    Ich sprang hoch und trat mit beiden Füßen gegen die Tür des Citroën. Sie schlug dem Fahrer von hinten gegen die Waden. Er heulte auf. Die zerbeulte Tür federte zurück und knirschte, als sie anschlug. Ich wirbelte herum und schlug dem Dicken mit der linken Hand an den Hals, achtete darauf, ihm nicht den Kehlkopf zu zertrümmern. Der Mann verdrehte die Augen und fiel ordentlich gefaltet zu Boden, sein Körper knickte ein wie ein Endlosformular.
    Der Fahrer ergriff die Flucht. Er jammerte leise vor sich hin und hinkte erstaunlich schnell, trat nur bei jedem dritten Schritt mit dem linken Fuß auf und hüpfte dazwischen zweimal auf dem rechten. Ich ließ ihn laufen.
    Der untersetzte Mann wimmerte. Obwohl er bewusstlos war, hielt er die Pistole in seiner Tasche immer noch umklammert. Ich löste sie aus seinen Fingern und warf sie unter den Wagensitz. Dann öffnete ich den Kofferraum, hievte den schweren, schlaffen Mann auf die Kante und ließ ihn hineinrollen. Der Zwischenfall hatte sich in aller Öffentlichkeit abgespielt. Ich blickte mich langsam um und tat, als wäre es ganz alltäglich, bewusstlose Männer in Kofferräume zu laden. Die Passanten beschleunigten den Schritt, die Autofahrer entdeckten plötzlich etwas ungemein Interessantes am Armaturenbrett, und die Männer, die vor dem Einkaufszentrum herumlungerten, lösten sich in nichts auf, verschwanden spurlos wie Wasser im Sand.
    Ich setzte mich ans Steuer des Citroën und atmete tief durch. Das Duo, das mich geschnappt hatte, gehörte wahrhaftig nicht zur ersten Garde von Sankt Petersburg, die beiden waren die letzten und schwächsten Glieder in der Kette, die sich bis hierher in die Provinz wand.
    Ich glaubte immer noch nicht, dass die Männer mir gezielt aufgelauert hatten. Vielleicht hatten sie gehört, dass man weiter südlich in den Städten nach mir Ausschau hielt, oder sie hatten mich zufällig erkannt, ihre Beobachtung gemeldet und den Befehl erhalten, mich aufzulesen. Von dem Armeewagen und Korhonen hatten sie offenbar nichts gewusst.
    Ein verschwommenes Bild schoss mir durch den Kopf, der vage Verdacht, dass ich den davongehinkten Fahrer schon einmal gesehen hatte. Irgendeine Geste oder Haltung war mir bekannt vorgekommen. Doch ich bekam das Bild nicht in den Griff, konnte es nicht noch einmal vor mein inneres Auge holen, um nach Fixpunkten für eine Identifikation zu suchen.
    Im Wagen stank es nach Tausenden von Zigaretten. Das Bündel tannenbaumförmiger Geruchsneutralisierer, das am Rückspiegel hing, reicherte den Mief mit süßlichen, unnatürlichen Aromen an. Hastig durchsuchte ich das

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