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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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und schnaubte verächtlich über die grauen Ziegelhochhäuser, an deren Eingangstüren der Wind rüttelte. Auf den Dächern wuchs ein wüstes Gestrüpp aus Fernsehantennen, und auf den Höfen stromerten Hunde verschiedener Farbe und Größe herum.
    Wir fuhren durch den Westteil des Dorfs zum Flugplatzareal zurück. Die Straße traf auf den Grenzzaun und führte weiter an ihm entlang. Dann wurde der Zaun zur Mauer. Sie hatte dicke Pfeiler aus rotem Backstein, die dazwischenliegenden Mauerwände waren aus grauen Ziegeln gemauert, mit plusförmigen Öffnungen.
    Ich ließ Firsow vor einem Tor halten. Der Rahmen war aus Rohren geschweißt, in der Mitte befand sich ein aus Kammstahl zurechtgebogenes Ornament, das die Sonne und ihre Strahlen darstellte. Ein uniformierter Soldat kam aus dem kioskartigen Schilderhaus hinter dem Tor. Ich hievte mich aus dem Wagen und ging ans Tor, schob mein Gesicht an die Stangen, grüßte höflich und erklärte, wen ich besuchen wollte.
    »In Ordnung«, sagte der Soldat. Seinen Kragenspiegel zierten das Band und der kleine Stern des Jungleutnants, am Ärmel hatte er das Emblem der Luftlandetruppen, am Gürtel hing eine Pistole. Ich wusste nicht, ob er uns erwartet hatte, und fragte auch nicht nach. Als der Leutnant das Tor aufzog, wies ich Firsow an hineinzufahren.
    »Stabsgebiet und Wohnhäuser der Offiziere«, erklärte ich Korhonen. Das Gelände war eben und trocken. Die Blätter der kleinwüchsigen Birken scheuten sich noch, aus ihren Knospenhüllen auszubrechen. Die flachen Wohnhäuser waren mit Brettern verschalt und in regelmäßigem Wechsel rot, blau und gelb gestrichen. Sie standen nicht auf geschlossenen Sockeln, sondern auf Pfeilern. Ich überlegte mir, dass in diesen Häusern wohl viele Zehen gefroren hatten, wenn im Winter der Wind von Osten wehte, der im Ural einen scharf-trockenen Anlauf nahm und auf der letzten Strecke die eisige Feuchtigkeit des Weißen Meeres mit sich riss.
    Wir passierten einen holperigen Bolzplatz und einen Kinderspielplatz mit Wippen und Kletterseilen und Hürdenbahnen aus halb in den Boden eingelassenen Autoreifen. Eine verrostete Leiter führte in eine Spielzeugrakete aus Aluminium.
    Ein Bild tauchte aus meiner Erinnerung auf, hell und in verblichenen Farben wie ein altes Dia. Wir hatten Tante Zoja in Petrozawodsk besucht. Sie war Leiterin eines neuen Kinderheims und zeigte uns stolz die Spielzimmer, die mit Klavieren und spitzenbesetzten Gardinen, bunten Holzklötzen und Puzzlespielen ausgestattet waren. Auf dem Hof gab es Schaukeln und sogar ein ausrangiertes Feuerwehrauto zum Spielen.
    Ich hätte die funkelnagelneuen Spielsachen zu gern ausprobiert, traute mich aber nicht, um Erlaubnis zu bitten, denn Mutter wirkte ohnehin schon wütend.
    Auf dem Heimweg saß ich im Fond des Wolga. Ich war so klein, dass ich im Seitenfenster nur die vorbeihuschenden Baumwipfel sah. Ich hörte Mutter und Vater reden und reimte mir zusammen, dass Mutter auf die Säufer und Herumtreiber wütend war, die sich nicht um ihre Kinder kümmerten, sondern sie ins Heim steckten. Da fühlte ich mich plötzlich schuldig. Am liebsten hätte ich erklärt, ich wollte zwar mit den Sachen spielen, aber zu Hause habe ich es gut und besser, denkt bloß nicht, ihr wärt schlechte Eltern.
    Ich rief mich in die Gegenwart zurück, in den grauen Geländewagen, der gerade auf den ehemaligen Zentralplatz des 265. Kampffliegerregiments rumpelte. Die Sektoren mit den Wohnquartieren schmiegten sich eng an den Platz. Im Westen und Norden standen einige größere Etagenhäuser aus Backstein und verputzte Gebäude, deren Giebelfassaden, Eingänge und Fensterrahmen klassische Eleganz ausstrahlen sollten.
    »Zum Kulturhaus«, wies ich Firsow an. Auch Korhonen wurde klar, dass wir am Ziel waren. Sobald der Wagen hielt, stieg ich aus, stützte mich am Chassis ab und dehnte die Muskeln. Die Rasenflächen waren verwildert und im Schatten der Hauswände wucherten Sträucher. Die meisten Häuser wirkten unbewohnt. Hinter einer Fensterscheibe zeichnete sich jedoch eine menschliche Gestalt ab, und einige Fenster waren einen Spaltbreit geöffnet. Der Wind versuchte in die Vorhänge zu fahren, die sich in einer Grünpflanze verfangen hatten, lockte sie ins Freie.
    Die hohe Tür schwang auf, und ein großer Mann kam die Treppe herunter. Er ging leichtfüßig, fast graziös, seine Schuhe steppten rhythmisch auf den Steinstufen.
    »Viktor Nikolajewitsch«, begrüßte er mich. » Long time no see .« Er sprach die

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