Russische Freunde: Kriminalroman
nach dem Muster finnischer Betonsiedlungen«, erklärte ich. Ich ließ Korhonen reden, denn über einen stummen Passagier hätte der Fahrer sich gleichermaßen gewundert. Ich bat den Mann, zum Einkaufszentrum zu fahren.
»Was jetzt?«, fragte Korhonen, als wir vor einem Kaufhaus hielten.
»Geh einkaufen«, sagte ich. »Ich geb dir Geld, hier. Du kaufst Brot und Kekse und etwas zu trinken, ein wenig Proviant. Ich höre inzwischen nach, ob in Helsinki alles in Ordnung ist, und rufe dann Karpow an. Er soll uns hier oder irgendwo unterwegs aufsammeln. Den Fahrer schicken wir dann für ein paar Tage auf Reisen, nach Kantalahti zum Beispiel, um irgendwas abzuholen.«
Korhonen zögerte.
»Ich schalte das Handy nur ganz kurz ein«, beruhigte ich ihn.
»Darum geht es nicht. Aber ich weiß nicht, ob ich in dem Laden zurechtkomme.«
»Du gehst rein, legst die Sachen in einen Einkaufskorb, und an der Kasse gibst du dem Tantchen deine Geldbörse und sagst paschalsta , dann nimmt sie raus, was du zu zahlen hast«, riet ich ihm.
Korhonen schnappte sich die Geldscheine, die ich ihm hinhielt, und ging.
»Warten Sie hier«, sagte ich zum Fahrer und ging zur Seitenwand des Einkaufszentrums. Auf den Trampelpfaden, die die Grünfläche durchzogen, vollführten kleine Jungen akrobatische Kunststücke auf ihren Rädern. Eine junge Frau schob mit einer Hand einen Kinderwagen, in der anderen hielt sie ein Waffelhörnchen mit schmelzendem Eis. Die Räder des Kinderwagens blieben an einem Grashöcker hängen. Ich half der Frau. Sie lächelte zum Dank und leckte sich verlegen das Eis von der Lippe. Sie trug hochhackige Schuhe, hatte rot gefärbte Haare und stark geschminkte Augenlider.
» VK -Konzern«, meldete sich Oksana.
»Ich bin’s. Ist alles in Ordnung?«
»Oje, Viktor Nikolajewitsch, lieber Viktor«, jammerte Oksana.
»Oksana, ich kann nicht lange sprechen. Was ist los?«, fragte ich.
»Nichts, nichts. Hier ist alles in Ordnung, alles bestens. Soweit überhaupt etwas in Ordnung sein kann, wenn das Haus meines lieben Arbeitgebers und Freundes angezündet wird, wenn ein Mensch in die Nacht hinausgetrieben wird wie ein Fuchs aus seinem Loch …« Oksana beherrschte sich gerade mal zwei Sekunden, bevor sie ein neues Klagelied anstimmte.
»Oksana, nimm dich zusammen«, mahnte ich. Ich hörte, wie sie aufschluchzte und sich geräuschvoll die Nase putzte.
»Entschuldige, Viktor. Das alles macht mich so empfindsam. Aber für dich ist es natürlich am schwersten, ich weiß …« Ich wollte Oksana erneut anfahren, doch als sie meinen scharfen Atemzug hörte, unterbrach sie ihre Klage. »Im Büro habe ich alles erledigt. Einige Rechnungen habe ich beiseitegelegt, eine Anfrage nach einer Offerte auch. Und allen, die nach dir gefragt haben, habe ich gesagt, dass du in Bulgarien Urlaub machst.«
»In Bulgarien?«
»Schau, ich hatte gerade eine Zeitung aufgeschlagen, da waren Inserate von Reisebüros, die stachen mir ins Auge, und da habe ich mich erinnert, als ich ein kleines Mädchen war, haben Mutter und Vater oft gesagt, wenn wir doch nach Sotschi fahren könnten oder gar nach Varna an die Goldküste. Ich hab hoffentlich nichts falsch gemacht?«, fragte Oksana aufgeregt.
»Nein, nein. Ich war nur verblüfft. Bulgarien ist ein schönes Land«, beruhigte ich meine Sekretärin. »Aber sag mir, ist irgendwer ins Büro gekommen und hat nach mir gefragt? Diese Russen zum Beispiel?«
»Nein. Karpow hat ein paarmal angerufen und gefragt, wo du steckst, aber er meinte, ich sollte dir nichts ausrichten, er würde dich sicher irgendwie erreichen.«
Ich dankte Oksana und beruhigte sie. Wo ich war, verriet ich ihr nicht, erklärte nur, ich würde noch ein paar Tage unterwegs sein. Genaueres wisse ich noch nicht. Dann bat ich sie, Marja und Aleksej anzurufen, ihnen Grüße von mir zu bestellen und zu sagen, ich sei wohlauf.
»Vielleicht solltest du Marja lieber selbst anrufen«, riet mir Oksana.
»Das geht jetzt nicht. Tu, worum ich dich gebeten habe«, beendete ich das Gespräch.
Ich latschte zur Vorderfront des Einkaufszentrums und blieb neben einem Kiosk stehen. Gleich daneben war eine Bushaltestelle, es wimmelte von Menschen. Ich wählte Karpows Nummer, doch eine automatische Ansage erklärte, er spreche gerade mit einem anderen Teilnehmer. Gut, dann musste ich es eben in einigen Minuten noch einmal versuchen. Vielleicht kaufte Waleri gerade illegal kopierte Platten oder verhandelte über den Export einer Ladung Zigaretten, feixte
Weitere Kostenlose Bücher