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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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einer Kolchosenbäuerin, die hoffnungsfroh in die Zukunft blicken. Und ich hätte mich gern für ein paar Stunden in meine Kindheit geflüchtet, in einen der Filme, in denen der Sommer nackte Waden wärmte, auf einem neuen Herd in der eigenen Küche Essen gekocht wurde, die jungen Leute bescheiden und handwerklich geschickt waren und auf riesigen Feldern Mähdrescher in Formation vorrückten wie Kampfflugzeuge zwischen den Schönwetterwolken am Himmel.
    » All Morgen ist ganz frisch und neu des Herren Gnad und große Treu «, sang Korhonen voller Inbrunst und weckte mich. Er stand mit nassen Haaren und bloßem Oberkörper im Zimmer, strich sich Deo unter die Achseln. »Erhebe dich, sündiger Mensch, und empfange die Gnade des neuen Tages«, sagte er und zog den Reißverschluss seiner Toilettentasche zu. Dann ließ er vor dem kleinen Spiegel über dem Bett seine Muskeln spielen, posierte wie ein Kraftsportler.
    Ich spähte zum Fenster hinaus in den sonnigen Morgen.
    »Das richtige Wetter für kurzärmlige Hemden. Und wenn du ein richtig harter Bursche bist, kommst du vielleicht sogar ohne lange Unterhose aus«, plapperte Korhonen.
    Wir gingen zum Frühstück. Eine vor sich hin summende Frau wünschte uns einen guten Morgen und stellte Breischüsseln und eine Aufschnittplatte auf den Tisch, kam dann noch einmal, um uns Tee einzugießen. Sie kam und ging durch eine Pendeltür am Ende des Speisesaals, die von einer Feder langsam zugezogen wurde. Durch den schmaler werdenden Spalt sah ich die stählernen Arbeitsflächen und weiß gekachelten Wände der Küche.
    »Ich hab mich gestern mit Medwedkin unterhalten«, sagte Korhonen und warf einen Blick nach draußen. »Er scheint zu wissen, dass die Gauner in Petrozawodsk und Sortavala eine neue Organisation haben. Er meinte, der Boss sei jemand aus dem Norden.«
    »Aha. So, so.«
    »Ostjakische Gauner haben im Repertoire bisher auch noch gefehlt«, fuhr Korhonen fort und pustete mit gespitzten Lippen über den heißen Brei.
    »Die Ostjaken leben hinter dem Ural, am Ob. Deine Kenntnisse über die finnisch-ugrischen Völker sind ein wenig lückenhaft«, korrigierte ich ihn.
    »Hast ja recht. Am Ob, wo sich die Wogulen gern mit den Ostjaken suhlen«, alberte Korhonen. »Und was gehört nicht in die Reihe: Armagnac, Wotjak oder Kajak? Oje, die Anekdoten drängen mit Macht hervor.«
    »Nun hör schon auf mit dem Quatsch. Und iss ordentlich, damit du nicht schlappmachst. Wir haben einen harten Tag vor uns«, kommandierte ich, als wäre er ein Kind.
    »Ich bin superfit und allzeit bereit, wie die Pfadfinder«, versicherte Korhonen.
    Eigentlich war es nur recht und billig, dass auch Korhonen Bescheid wusste, überlegte ich mir. Ich beugte mich vor und erzählte ihm, dass der Boss der krummen Geschäfte in Karelien tatsächlich aus dem Norden kam, allerdings nicht aus weiter Ferne, sondern von hier, aus Weißmeerkarelien. Und dass seine Unternehmensakquisition sich nicht auf diesen Landstrich beschränke, sondern dass dieser Mann sich auch meine Geschäftstätigkeit in Finnland unter den Nagel reißen wolle. Er, Korhonen, kenne den Mann, es sei mein Freund Karpow. Und vor uns, nicht in ferner Zukunft, sondern am heutigen Tag, lägen nun Konfrontation und Nachlassabwicklung.
    Korhonen hörte aufmerksam zu. Ich fügte hinzu, in diesem Kampf befänden wir uns im Nachteil. Karpow sei in seinem eigenen Revier, habe Leute um sich geschart, und allem Anschein nach bestehe seine Armee aus Hunderten von Männern. Ich könne nicht garantieren, dass unsere Mission von Erfolg gekrönt sei.
    »Mit anderen Worten, du brauchst nicht mitzukommen. Oka und Medwedkin schleusen dich nach Finnland zurück und besorgen mir Unterstützung«, erklärte ich.
    »Nee, nee«, wehrte Korhonen ab. »Wir beide sind hier auf Fernpatrouille im karelischen Ödwald, da lässt man einen Kameraden nicht im Stich. Außerdem kommst du armes Würstchen ohne mich ja gar nicht zurecht«, sagte er schmunzelnd.
    Er aß weiter, hielt aber plötzlich inne und starrte mich an, den Löffel vor dem offenen Mund. »Vielleicht werde ich mir angewöhnen, zu Hause auch Brei zu essen. Der scheint dem Magen richtig gutzutun. Du solltest es auch mal probieren, dann würdest du nicht immer aussehen, als ob du Sodbrennen hast«, sinnierte er.

19
    Wir gingen mit Oka von den Wohnquartieren zum eigentlichen Flugplatz. Oka führte uns, ohne anhalten zu müssen, durch die bewachten Tore in den Stacheldrahtzäunen. Wir passierten verriegelte

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