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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Depots mit dunklen Fenstern und Wartungshallen, von denen nur einige in Betrieb waren. Männer in Overalls machten sich am Motor eines Transporthubschraubers zu schaffen, und eine Gruppe von fünf Soldaten schleppte Kisten von der Ladefläche eines Lasters auf Karren mit lächerlich kleinen Rädern. Ein altes Frachtflugzeug wartete mit offenen Luken. Am Rumpf stand Jakutia Airlines . Das Fenster zum Cockpit war geöffnet. Ein Pilot im kurzärmligen Hemd ließ den Arm hinausbaumeln wie ein Taxifahrer, der auf Kundschaft wartet.
    Meiner Schätzung nach maß das ebene Flugfeld in jeder Richtung mehrere Kilometer. Die Startbahnen waren zwischen dem hohen Gras, den Birkenschösslingen und Weidenbüschen kaum auszumachen. Aus der Luft würden sie wohl wie das Straßennetz einer Stadt aussehen, überlegte ich, wie ein Stadtplan ohne Häuser. Ich machte einen Satz zur nächsten Startbahn. Der Asphalt war verblasst, flimmerte aber in der Wärme der Morgensonne. Weiter weg zauberte die Luftspiegelung Wasser auf die Bahn.
    »Die längste hat fast zwölftausend Fuß«, sagte Oka stolz, hatte wieder einmal meine Gedanken erraten. »In einigen Hallen sind noch Flugzeuge und Ersatzteile und Waffen, auch Raketen. Da solltest du deine Nase nicht reinstecken. Dasselbe gilt auch für deinen Gehilfen.«
    Bei dem Hinweis auf Korhonen zeichnete Oka Gänsefüßchen in die Luft.
    »Ich habe einen Teil des Areals gemietet«, eröffnete er mir dann überraschend. »Vielleicht mache ich daraus die nördlichste Formel-1-Strecke der Welt oder ein Testzentrum für einen Autohersteller. Oder ich gründe eine ökologische Gemeinschaft, die im kurzen, aber intensiven Sommer des Nordens Kräuter anbaut.«
    Oka lachte auf und sprach weiter, bevor ich eine Frage stellen konnte.
    »Na ja, im Ernst, ich habe meinen Rang und einige Aufgaben in unserer alten Organisation … nur hier oben im Norden«, spielte er seine Bedeutung herunter. »Und ich möchte auch gar nicht mehr in irgendwelchen Trubel. Aber wie du weißt, ist das Gehalt nicht besonders hoch, deshalb betreibe ich Nebengeschäfte. Touristenreisen nach Kantalahti, Weißmeer-Kemi, Solowetsk, auf die Halbinsel Kola … Ich organisiere Kontakte für Geschäftsleute. Und gleichzeitig schaffe ich mir selber welche.«
    Ich versuchte den Vogel zu identifizieren, der unter gellenden Schreien auf uns niederstieß. »Da im Gebüsch ist sicher ein Nest. Ja, ja, wir gehen schon, wir tun deinem Gelege nichts«, beruhigte ich ihn. »Wenn ich lebend aus der Sache rauskomme, kannst du meine Geschäfte hier übernehmen. Ich bin an Karpows Firmen beteiligt. Ein Hotel in Sortavala, die Kioske in Valamo … eindeutig Synergie. Im Moment ist ein Forstprojekt von Ikea im Bezirk Karelien in Vorbereitung. Da ist noch Wachstumspotenzial. Und Kiefern kannst du gar nicht so viele fällen wie sich in Finnland verkaufen lassen.«
    Oka legte den Kopf schräg und sah mich aus halb geschlossenen Augen an.
    »Vitjucha, Vitjucha. Du sollst den Pelz nicht verteilen, ehe du den Bären erlegt hast. Zurück zum heutigen Tag, Viktor, zur Taktik.«
    Ich nickte gehorsam. Es kam mir vor, als wäre ich wieder in der Ausbildung, in der mündlichen Prüfung über Kampfführung. Ich hatte die Berechnung von Risiken und Ressourcen rekapituliert, mir ins Gedächtnis gerufen, dass die Faktoren keine festen Werte hatten, sondern veränderliche Funktionen der Zeit waren. Doch die mathematischen Formeln schienen nur Minusresultate zu erbringen. Entweder ich wurde als Verlust verbucht oder mein bester Freund.
    »Die Ausgangslage ist die, dass ich kräftemäßig unterlegen bin. Du kannst mir einige Männer zur Verfügung stellen, aber einen Krieg kannst du nicht für mich führen«, analysierte ich.
    Oka nickte nur, entschuldigte sich nicht.
    »Also …« Ich holte Luft. »Also setze ich auf den Überraschungseffekt und versuche eine Situation herbeizuführen, in der Karpow aus seiner Übermacht keinen Nutzen ziehen kann.«
    Oka spitzte den Mund, was ich als Zeichen vorsichtiger Zustimmung deutete.
    »Ich treffe mich mit Karpow an einem Ort, wo er schlicht und einfach keine Gewalt anwenden kann und will«, fuhr ich fort.
    »Im Lenin-Mausoleum? Oder ist Karpow neuerdings religiös, und du lockst ihn in eine Kirche?«, lachte Oka.
    »Genau. Ich treffe mich mit Karpow an dem einen Ort, der für ihn das Allerheiligste ist, bei Menschen, in deren Gegenwart er mich nicht töten kann. Ich gehe zu ihm nach Hause.«
    Zuerst hatte ich diesen Plan

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