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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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kannst du lange warten. Stattdessen nickte ich und versuchte zu verstehen.
    »Du bist immer pflichtbewusst gewesen, Vitjuscha. Und du machst es deinen Mitmenschen zum Vorwurf, dass du dich aufopfern willst. Du jammerst, damit sie merken, was für ein Märtyrer du bist«, fuhr Oka fort.
    »Soll ich mich aufs Sofa legen und über meine Mutterbeziehung sprechen?«, versuchte ich die Stimmung aufzulockern und zu lächeln.
    Oka sah mich immer noch ernst an. »Nicht nötig, ich weiß ja alles über dich«, erinnerte er mich ohne Prahlerei. »Geh. Medwedkin fährt mit euch. Beim Sägewerk im Dorf sind zwei von unseren Männern. Sie beobachten die Lage.«
    Ich schüttelte ihm die Hand und bedankte mich. »Ach ja, der Chauffeur«, fiel mir noch ein, als ich gerade einsteigen wollte. Firsow war am Abend in die Mannschaftsstube der Hauptwache geschickt worden, und ich hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich schicke ihn nach Kostamus zurück«, versprach Oka und winkte uns ein wenig unbeholfen zu. »Und lass dich von nichts überraschen«, sagte er dann noch. Ich dachte, er wolle weiterreden, aber er klappte den Mund zu.
    »Fantastisch viel Platz«, lobte Korhonen. Er saß auf der Rückbank des Wolga, die Arme auf der Lehne ausgebreitet. Der Wagen, das neueste Modell, schaukelte sanft, als Medwedkin sorgsam den Löchern auswich, die der Regen in die Straße gefressen hatte.
    »Und da draußen gibt es auch Raum genug«, nickte Korhonen zum Flugfeld hinüber. » Die Steppe schläft, die Puszta Argentiniens  …« sang er.
    »Was? In Argentinien gibt es keine Puszta. Da sind Pampas. Die Puszta ist in Ungarn«, knurrte ich.
    »Der liebe Viktor kommt ja richtig in Fahrt«, freute sich Korhonen. »In dem Lied heißt es ganz bestimmt die Puszta Argentiniens, großes Ehrenwort. Und auf der Gitarre spielt der Hirt, wenn es draußen dunkel wird und die Señorita lockend girrt …«
    »Sei still, Korhonen«, flehte ich.
    Medwedkin verließ das Flugplatzareal auf demselben Weg, auf dem wir gekommen waren. Die Ortschaft Sokol wirkte auch in der Morgensonne trübselig. Korhonen schwieg, doch als wir die Landstraße erreichten, hielt es ihn nicht mehr.
    »Leb wohl, edles Sokol. In deinen Mauern bleibt Oka Sorokin allein zurück, während der getreue Kolja die Reisenden begleitet.« Er salutierte zum Rückfenster hin. »Was glaubst du übrigens, sind die Brüder schwul?«, fragte er dann, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Du kannst einem echt auf die Eier gehen, du alter Sack! Diesmal hast du dich selbst übertroffen, oder eher untertroffen«, motzte ich ihn an.
    »Reg dich nicht gleich auf, Mann. Ich frag doch bloß. Zwei erwachsene Männer leben allein inmitten der herrlichen Natur. Frauen sind nicht in Sicht, außer beim Küchenpersonal. Ich ziehe lediglich logische Schlüsse und frage aus rein akademischem Interesse«, erklärte Korhonen. Er nickte Medwedkin, der unseren heftiger werdenden Wortwechsel im Rückspiegel beobachtete, lächelnd zu.
    »Ich weiß es nicht. Es interessiert mich nicht und geht mich nichts an«, setzte ich einen Schlussstrich. Ich hatte keine Lust, Korhonen zu erklären, dass es zwischen Oka und Kolja eine langjährige Kameradschaft und ein starkes Band gab, die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem, zwischen zwei Soldaten unterschiedlichen Rangs, aber auch zwischen zwei langjährigen Genossen. Natürlich war das Liebe. Und auf die gleiche Weise liebte ich Karpow.
    »Wie du sehr wohl weißt, bin ich ein unvoreingenommener Mann«, insistierte Korhonen. »Außerdem, wenn du ein wenig älter bist, wirst auch du einsehen, dass brennende Liebe und Leidenschaft vielleicht doch nicht so wichtig sind. Sondern eher eine dauerhafte Kameradschaft. Vor allem, dass man nicht allein ist.«
    Er lästerte und spottete kein bisschen.

20
    Die Straße wand sich durch niedrige Birkenwäldchen ans Flussufer. Medwedkin wendete und parkte so, dass die Nase des Wolga in die Richtung zeigte, aus der wir gekommen waren. Wir nahmen unsere Taschen und gingen zu dem massiven Anleger. Von hier wurden schwere Lasten oder Autos mit einer Fähre oder einem Prahm übergesetzt, doch weder auf dem Fluss noch am gegenüberliegenden Ufer war ein Fährschiff zu sehen. »Die Jungs holen uns mit dem Boot ab«, antwortete Medwedkin, bevor ich fragen konnte.
    Das alte Dorf Tuohisjärvi lag ein wenig weiter östlich jenseits des Flusses. Der Anleger war für die neuere Siedlung und das Sägewerk errichtet worden. Es war

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