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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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gesagt hat. Hat so merkwürdig getan, der Bub.«
    »Wen soll ich kennen?«, drängte ich.
    »Nu, Waleris Freundin. Bald seine Frau, so Gott will.« Nasti bekreuzigte sich. »Lena. Ihr kennt’s euch aus Leningrad.«
    Die Treppe zum Obergeschoss knarrte, und die Tür mauzte, und Lena stand in der Stube.
    » Priwjet Viktor «, grüßte sie.
    Als hätten wir uns gestern zuletzt gesehen.
    »Es ist lange her«, sagte ich, weil ich etwas sagen musste.
    »Ist das nicht dieser … amerikanische small talk ? Früher hast du leeres, unnützes Gerede und belanglose Floskeln gehasst«, zitierte Lena mich wortwörtlich.
    »Mir ist nichts anderes eingefallen. Ich bin ziemlich perplex«, gestand ich.
    Ich merkte, dass mir immer noch daran lag, Lena gegenüber aufrichtig zu sein. Wir saßen im Garten, auf einem Stein am Ende des Gemüsebeets. Ich hatte im Haus eine Begrüßung gekrächzt und Lena dann vorgeschlagen, nach draußen zu gehen. Korhonen war uns gefolgt, seine Sporttasche in der Hand. Er hatte irgendetwas von verliebten Pärchen gemurmelt, doch ich hatte ihn mit einem wütenden Blick zum Schweigen gebracht. Nun saß er auf der Schwelle zur Sauna, im Schatten der halb offenen Tür. Medwedkin und Sorokins Männer lungerten auf dem Dorfweg herum, nicht versteckt, sondern offen sichtbar.
    »Du siehst gut aus«, sagte Lena und blinzelte in die Sonne.
    »Du übertreibst«, sagte ich. Ich brachte es nicht einmal fertig, das Kompliment zurückzugeben. »Und was hast du in den letzten Jahren gemacht?«, erkundigte ich mich, und auch die Frage klang lahm. Bevor Lena antworten konnte, erklärte ich, dass ich es wusste. Sie war schon vor längerer Zeit aus Sankt Petersburg fortgezogen. Mutter hatte es mir damals erzählt, ein wenig zögernd. »Sie soll jetzt in Petrozawodsk sein, die Lena, unterrichtet am Konservatorium«, hatte sie gesagt. Ihre Stimme hatte ein wenig tiefer geklungen als sonst, wie um zu betonen, dass sie nicht von irgendwem sprach.
    »So sind die Mütter. Ach ja, mein Beileid. Ich habe gehört, dass Anna Sergejewna von uns gegangen ist«, sagte Lena teilnahmsvoll.
    Sie schwieg eine Weile.
    »Was habe ich gemacht … Eine mittelmäßige Pianistin wird in diesem Land nicht gebraucht. Hauptsächlich habe ich Unterricht gegeben. An Schulen. Und Privatstunden für die Kinder der Reichen. In der Datscha von einem dieser Halboligarchen bin ich … Waleri begegnet«, erzählte sie dann mit leisem Zögern.
    »Sei unbesorgt. Ich bin nicht hier, um euch auseinanderzubringen. Ich habe mein eigenes Leben«, beeilte ich mich zu versichern. »Waleri und ich haben andere Dinge zu klären, geschäftliche«, fügte ich hinzu.
    »So hatte ich es auch verstanden«, seufzte Lena. Sie blies sich die Haare aus der Stirn, warf sie dann mit einer Kopfbewegung zur Seite. Die Geste war mir allzu vertraut, sie schnitt mir ins Herz.
    Lena war auf ihre eigene, gleichgültige Art schön geblieben. Das Alter hatte eine leise Müdigkeit in ihre Bewegungen gebracht und Fältchen um ihre Augen gezaubert; mir war nicht klar, warum Frauen sie bekämpfen wollten. Ich wusste, dass ich immer noch fast jeden Tag an Lena dachte. Ich trauerte ihr nicht direkt nach, und die Sehnsucht war nicht mehr schmerzhaft. Aber ich dachte an sie, trotzdem.
    »Das Leben war nicht leicht. Damals, als du einfach gegangen bist«, sagte Lena leise.
    »Ich werde mich nicht darüber streiten, wer von uns weggelaufen ist oder wer sich versteckt hat. Du hast deine Entscheidung getroffen, ohne mich zu fragen. Und ich habe sie ja verstanden, zumindest im Nachhinein.« Ich gab mir Mühe, mich nicht zu verteidigen und Lena nicht anzugreifen.
    »Es wäre jetzt schon groß«, sagte Lena und sah mir plötzlich direkt in die Augen. Mit einem einzigen Schnitt öffnete sie die verblasste Narbe, legte die brennende Wunde bloß.
    »Manchmal überlege ich, wie es aussehen würde, ob es ein Junge oder ein Mädchen wäre. Oder gewesen wäre. Ich weiß nicht, welche Zeitform die passende ist«, suchte ich nach Worten.
    Lena stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn auf die Handflächen.
    »So bist du, Viktor. Oder vielmehr, das ist deine Art zu sprechen, knapp an der Sache vorbei, obwohl du vieles begreifst. Vielleicht sogar so viel, dass du nicht wagst, alles anzusehen und aufzunehmen«, sagte sie fast zärtlich.
    Die Sonne blendete mich. Die Düfte wurden schwerer, verdichteten sich zu Gerüchen, die meine Bronchien überfrachteten. Hammerschläge in weiter Ferne und das Rattern

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