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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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unter der Ruderbank hervor. Mir war klar, dass die Beutel Sturmgewehre enthielten.
    Wir gingen den Pfad hinauf. Die Sonne brannte auf die Uferböschung, ließ Gerüche aufglühen. Ich roch die Brennnesseln an den Zäunen, die hinter den kleinen Viehställen gärenden Misthaufen, Teer, von der Sonne aufgeheizte alte Balken und einen kühlen Hauch Feuchtigkeit vom Fluss, eine Erinnerung an die Vergänglichkeit des Sommers.
    Alle Häuser des Dorfes säumten einen einzigen holprigen Sandweg, auf dem sich kein Mensch blicken ließ. Aus einem angelehnten Fenster drangen Lebenszeichen nach draußen, das Klappern von Geschirr beim Spülen und Radionachrichten über ferne Ereignisse. Eine kleine Katze, fast noch ein Junges, versuchte Fliegen zu fangen, sprang in die Luft und schlug mit den Pfoten ins Leere. An einer Hauswand entwirrte ein Mann seine Netze und nickte uns grüßend zu.
    Vor dem Tor der Karpows blieb ich stehen. Medwedkin ging ein Stück weiter und setzte sich auf einen Stein. Sorokins Duo machte kehrt und spazierte zwanzig Meter zurück. Dort blieben die beiden stehen, an ein Motorrad mit Beiwagen gelehnt.
    »Und du benimmst dich jetzt«, zischte ich Korhonen zu. Er nickte, bedachte mich allerdings mit einem beleidigten Blick. Wir betraten das Haus.
    Die Stube hatte sich nicht verändert, nur der Kühlschrank schien neu zu sein. Vor den Fenstern hingen dünne helle Vorhänge, an den Wänden auf Spannpappe geklebte, leicht runzlige Tapeten mit spärlichem Blumenmuster. Hier und da waren Kunstdrucke und Ansichtskarten an die Wand gepinnt.
    »Guten Tag!«, rief ich in den leeren Raum und klopfte noch einmal an den Türrahmen.
    »Güt’cher Himmel, sint ihr al do?«, war aus der Schlafkammer zu hören.
    Karpows Großmutter Nasti kam in die Stube, leicht schlenkernd, um die Hüften zu schonen. Sie band sich ein Tuch um den Kopf, trat zu mir und umarmte mich, babbelte über die alten Zeiten und wischte sich die Augen.
    »Das ist mein Reisegefährte aus Finnland«, stellte ich meinen Begleiter vor.
    »Korhonen, Teppo.« Korhonen machte einen artigen Diener wie ein Schulbub.
    »Wie geht es euch denn?«, erkundigte ich mich.
    »Ach Gottchen.« Nasti schlug die Hände zusammen. »Nu, in der Seite tut’s weh, und die Hüften tun knarzen, aber sonst fühl ich mich … Ich darf nit jammern. Santeri is arjer dran, der Arme liegt im Bett«, sagte sie und schickte mich in die Kammer.
    Vorsichtig öffnete ich die Tür. Stickige Luft empfing mich. Aleksandr Karpow lag zugedeckt im Bett, schaute mich aber durch seine dicken Brillengläser an.
    »Santeri krank im Bett. Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich nicht gekommen«, sagte ich und wusste, dass ich die Wahrheit sprach.
    »Viel Freud wirst nit an mir habe, ich kann nit laufe, nit eens oppe stan. T’Harze ebent.«
    Santeri blinzelte mir zu und hielt meine Pranke mit beiden Händen umfasst. Ich sagte ihm, er solle sich nur schön ausruhen, machte eine aufmunternde Bemerkung über den heranreifenden Sommer und begriff im selben Moment, wie hohl meine Worte klangen. Mit jedem Sommertag, der verging, rückte Aleksandr Karpows letztes Stündlein näher.
    Ich kehrte bald in die Stube zurück, denn sonst hätte ich womöglich von meiner Mutter angefangen, hätte erzählt, wie sie in den letzten Monaten vor ihrem Tod dahingesiecht war. Opa Karpow blieb liegen. Auf einem Stuhl neben seinem Bett hatte er ein Glas Saft und einige Lutschbonbons. Am Fußende stand als Ersatzklo ein emaillierter Eimer auf dem Boden, mit einem Handtuch zugedeckt.
    »Nu, der guteste Moment ist’s nit«, räumte Nasti ein, als ich ihr sagte, wie leid es mir tat, dass Santeri krank war, und mich für unseren Überraschungsbesuch entschuldigte. »Aber nimm’s nit zu arch. Ihr sint hungerich, ek weiß, ein kalter Gast im leeren Magen. Ich tu euch im Mikro Piroggen oppwarmen. Waleri, nu, der Junge schleppt so viele Geräte an, gut, dass der Strom inne Leitung reicht. Zum Nachtessen gibt’s Kartüffelchen und Fleisch und Fisch, wir heizen die Sauna, und im Oberstock is’ Platz zum Schlafen. Ihr bekommts das eine Zimmer, Waleri und seine Freundin das andre«, plapperte Nasti drauflos.
    »Seine Freundin?«, hakte ich ein. Nastis Stimme hatte an diesem Punkt ihrer Aufzählung einen seltsamen Beiklang bekommen, irgendwie schüchtern oder verlegen. Nasti drehte mir den Rücken zu und klapperte mit dem Geschirr.
    »Ja«, gab sie sich einen Ruck. »Du kennst sie auch. Hab mir schon denkt, dass Waleri dir’s nit

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