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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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windstill, und der breite Fluss strömte eher geruhsam als reißend dahin. Von der Landkarte her wusste ich, dass er hier unmerklich zu einem weiten Bogen ansetzte, fast einen Kreis zog. Er kehrte zum Dorf zurück und verbreiterte sich zu einem kleinen See.
    Die Häuser des alten Ortsteils hockten in einer Reihe auf einem flachen Hügel. Die Ackerstreifen fielen zum Ufer hin sanft ab. Das Sägewerk beherrschte den neueren Ortsteil und die höchste Erhebung wie eine zerfledderte Festung. Die Anbauten, die sich an das Hauptgebäude anschlossen, waren mit Planen und Blechplatten bedeckt.
    Zwischen Sägewerk und Ufer grünte eine breite, leere Parzelle. Den Spuren nach waren dort Baumstämme gelagert worden. Lastwagen und Traktoren hatten sich auf dem Gelände ausgetobt, waren in der Matschzeit bis zu den Achsen im Schlamm versunken und hatten sich gegenseitig herausgezogen. Sie hatten dem Rasen Quetschungen und bogenförmige Schnitte zugefügt, die sich als schwarze Narben vom Grün abhoben.
    Der Platz war zugemüllt. Im aufsprießenden Gras lagen lange Holzsplitter, ausgesonderte Holzblöcke, Autoreifen, unidentifizierbare Maschinenteile, diverse Rohre und Eisenstangen. Mittendrin grasten Kühe, deren Wiederkäuen über den Fluss hinweg eher zu ahnen als zu sehen war.
    »Nettes Kombinat«, kleidete Korhonen seinen Eindruck in Worte. »Ist das ein Reservat für Lebensstilindianer mit eigens entwickeltem Ökosägewerk? Sieht so richtig umweltfreundlich aus, geradezu nach Vollbio. Typische Russenwirtschaft, verdammt noch mal!«
    »Ist das Werk vielleicht stillgelegt? Man hört jedenfalls keine Maschinen kreischen«, überlegte ich.
    Wir schwiegen eine Weile und lauschten der Stille.
    »Der stille Don. Nicht mal die Melkmaschinen heulen«, freute sich Korhonen.
    »Irgendwo läuft ein Motor«, stellte ich fest und drehte den Kopf, um die Geräuschquelle zu orten. Vom alten Dorf her näherte sich ein flaches Boot.
    »Da kommen die Jungs«, sagte Medwedkin.
    Das Boot steuerte auf den Anleger zu. Es war schmutzig blau, hatte eine nach innen gewölbte Windschutzscheibe und hinten zwei kleine Querruder, die ihm Stabilität geben sollten. Zwei Männer saßen im Boot. Der eine bediente auf der hinteren Ducht den Außenbordmotor, der andere lehnte sich mit den Knien an die Seitenwand und griff nach dem Bootssteg.
    Die beiden nickten zur Begrüßung, sagten aber kein Wort. Auf eine offizielle Vorstellung legte ich auch keinen Wert. Ich wusste, dass die Männer unter Oka Sorokins Befehl standen, sie mochten Leutnants sein, nur trugen sie statt Uniform Jeans und Anoraks. Sie gehörten zur Schar der gleich großen, wie genormt aussehenden jungen Männer, die in den Hotels herumstanden, wenn dort eine Delegation von Geschäftsleuten logierte, oder in einem grauen Wolga vorfuhren, wenn ein Bus mit Kriegsveteranen am Fuß der Kis-Kis-Hügel hielt.
    »Ist dieser kleine Trog der berüchtigte Witwenmacher?«, erkundigte sich Korhonen interessiert, während wir uns einschifften. Als Medwedkin sich ins Heck setzte, lag der Bootsrand nur noch eine knappe Spanne über dem Wasserspiegel.
    »Nein. Die Witwenmacher sind flache Aluminiumboote, ungefähr wie Schneeschieber«, erklärte ich. »Ich hab selbst ein paar verkauft. Zum Glück ist von meinen Kunden keiner ertrunken. Die Dinger halten nämlich nicht der kleinsten Welle stand.«
    Der eine Bootsmann stieß uns vom Anleger ab, während der andere mit dem kleinen Evinrude-Außenborder am Heck steuerte. Korhonen griff nach dem Steuerrad. Es drehte sich haltlos, die Ruderleitungen hingen schlaff herunter. Korhonen ging in die Hocke, drehte das Handrad nach links und rechts und knatterte mit dem Außenbordmotor um die Wette.
    »Der Mann macht noch im Sarg Lärm«, rief Medwedkin von hinten. Ich drehte mich um und nickte. Auch Sorokins Männer lächelten.
    »Was sagt er?«, erkundigte sich Korhonen. »Ich hab’s nicht verstanden.«
    »Sei still.«
    »Das hat er nicht gesagt.«
    »Nein, aber das hat er gemeint. Und ich meine es auch.«
    Der Bootssteg beim alten Dorf war schmal, er bestand aus brüchig gewordenen Planken, die jeweils paarweise auf morschen Böcken lagen, und sah aus wie ein langer Rentierzug. Man musste vorsichtig auftreten und warten, bis der Vordermann das nächste Plankenpaar erreicht hatte, bevor man weiterging.
    Sorokins Männer stiegen als Letzte aus. Medwedkin gab ihnen Anweisungen und fragte nach der Ausrüstung. Die Männer nickten und holten längliche grüne Stoffbeutel

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