Russische Freunde
Liegenschaft wurde über Herrn Perren schliesslich an die Stadt verkauft. Vielleicht gibt es jemanden, der schon mit Herrn Perren oder mit dieser Sache zu tun hatte und mit dem ich sprechen könnte?»
Diesmal roch ich Bernasconi, bevor ich ihn sah. Ich nahm sein zu süssliches Parfüm wahr, noch bevor ich realisierte, dass er hinter mir im Gang stand und uns zuhörte. Mit entschiedenen Schritten kam er an mir vorbei ins Sekretariat.
«Tamara, um was geht es? Kann ich behilflich sein?», wandte er sich an mich. Er stand zu nahe bei mir, wie schon im Lift. Nur musste ich diesmal frontal in sein Gesicht blicken und in die unsauberen Gläser seiner Goldrandbrille.
Ich wiederholte, wenn auch in abgeschwächter Form, weshalb ich mit jemandem sprechen wollte, der Perren kannte. Ich wollte keine falschen Anschuldigungen in die Welt setzen, betonte ich, ich kannte Herrn Perren gar nicht.
«Herr Perren ist immer wieder in Erbschaftssachen tätig. Wenn Sie Fragen haben, schlage ich vor, dass Sie sich direkt an ihn wenden, er gibt Ihnen sicher gerne Auskunft. Ob er sich allerdings an unseren Praktikanten erinnert, kann ich Ihnen nicht versprechen. Sie müssen wissen, uns hier, dem Erbschaftsamt, liegt die Befindlichkeit des Personals, auch von Praktikanten, wirklich am Herzen. Wir sind aber nicht in der Lage, alle persönlichen Probleme abzufedern. Die psychischen Probleme Ihres Neffen, ich glaube nicht, dass wir damit etwas zu tun hatten. Und wenn Sie über Herrn Perren etwas wissen wollen, wie gesagt, wenden Sie sich doch direkt an ihn.»
Bernasconi drehte sich ab.
«Selbstverständlich. Ich verstehe. Einen schönen guten Tag.»
Fünf Sekunden später war ich bei der Tür.
«In der Familie scheinen mehrere mit psychischen Problemen zu kämpfen. Zu glauben, dass sich der Bucher wegen uns umgebracht hat!», hörte ich in meinem Rücken Bernasconi sagen. Gefolgt von Tamaras zustimmenden Lachen.
Psychische Probleme, selbst wenn ich die hatte: Um die ging es nicht. Nicht um meine und nicht um die von Tobias. Psychische Probleme. Wer da mit wem zusammenspannte, um das ging es doch. Um Filz. Das dachte ich wütend, während ich mit dem Lift hinunterfuhr. Auch, weil mir unterwegs klar wurde, dass die beiden Stockwerke unter dem Erbschaftsamt ausgerechnet von den Stadtbauten belegt wurden. Von dem Amt, das schlussendlich das Haus der Anna Herzig gekauft hatte. Das Erbschaftsamt, die FINMA und jetzt noch die Stadtbauten, alles im gleichen Gebäude. Wie praktisch. Man kannte sich, da war ich mir sicher. Ich dachte natürlich an die Skandale rund um die Stadtbauten, die seit Jahren in der Kritik standen. Wegen Filzvorwürfen. Später, als ich mich beruhigt hatte, sagte ich mir, dass es doch ziemlich normal war, wenn sich verschiedene Ämter der Verwaltung ein Gebäude teilten. Trotzdem.
26
Mit etwas Glück konnte ich mir zur Liegenschaft im Kirchenfeld Informationen aus erster Hand beschaffen. Eine ehemalige Studienkollegin, Anita Leiss, war Stadträtin und Mitglied der Kommission, die sich mit den Stadtbauten beschäftigte. Ihr Arbeitsplatz lag im Nordquartier, nicht allzu weit vom Zentrum entfernt. Einen fixen Feierabend schien man in der Organisation, für die sie arbeitete, nicht zu kennen. Obschon es bald sechs Uhr war, wurde an vielen Arbeitsplätzen noch konzentriert gearbeitet. Im Gang standen in eine Diskussion vertiefte Mitarbeitende und schienen nicht ans Nachhause gehen zu denken. Anita hatte als Geschäftsleiterin ein eigenes Büro. Als ich nach einem kurzen Klopfen eintrat, sah sie zuerst irritiert und gestört von ihrer Arbeit auf und begrüsste mich dann überrascht.
«Entschuldige, Anita, dass ich so bei dir hereinplatze. Ich will dich nicht aufhalten, nur eine kurze Frage. Ich war gerade in der Gegend, und da fand ich es einfacher vorbeizuschauen als zu telefonieren.»
Ich sah es Anita an, dass sie sich bemühen musste, freudig überrascht zu wirken. Der unvorhergesehene Überfall war keine gute Idee, sicher stand sie unter Zeitdruck. Ausserdem hatten wir uns seit Monaten, besser Jahren, nicht mehr gesehen. Trotzdem erhob sie sich und umarmte mich, etwas zu überschwänglich.
«Ich will nicht stören. Nur zwei Minuten.»
Ich spürte ihren erwartungsvollen Blick auf mir. Im Büro nebenan klingelte bereits zum zweiten Mal das Telefon, ohne dass jemand dran ging. Das stresste sogar mich. Eine Frage zum Haus im Kirchenfeld beiläufig zu stellen, war nicht möglich. Anitas erwartungsvolle Augen setzten mich
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