Russische Freunde
rief sie an. Als ich ihr von dem Gespräch bei der Polizei berichtete, reagierte sie enttäuscht. Davon war ich etwas überrascht. Ich beschrieb ihr, wie eine Polizeibeamtin die Fotos analysierte, sicher mit Hilfsmitteln, die mir nicht zur Verfügung standen. Falls ich Lisas Reaktion richtig deutete, zweifelte sie daran, dass die Kantonspolizei mit MROS zusammenarbeiten würde. Das war aber nur eine Vermutung meinerseits, natürlich äusserte sie sich nicht dazu.
Ich bat sie, für mich eine Kopie des Sticks anzufertigen, weil ich mein Exemplar der Polizei überlassen hatte. Lisa druckste herum, sagte zuerst, sie habe ihn bereits weitergegeben, dann sprach sie von Persönlichkeitsschutz und schliesslich von meiner Sicherheit. Mit anderen Worten, sie weigerte sich, den Stick herauszurücken.
Ich war sauer. Das ging zu weit. Dass sie mich nicht in Amtsgeheimnisse einweihen wollte, war eine Sache. Aber ihre Kopie des Sticks, die hatte sie von mir. Und ich hatte den Datenträger nirgendwo gestohlen, Juri hatte ihn bei mir gelassen, er war sozusagen mein Eigentum. Das sagte ich ihr, und dann beendeten wir das Telefon. Ziemlich abrupt.
Wenigstens erreichte ich Thomas Dubach auf Anhieb unter der französischen Nummer, die er mir gegeben hatte. Er klang verladen, versprach mir aber hoch und heilig, niemandem von meiner Aktion zu erzählen. Gegen tausend Franken, die ich ihm geben würde, wenn er nach Bern kam, um eine Aussage zu machen. Und tausend Franken, wenn der Fall abgeschlossen war, und er immer noch über die Art unserer Begegnung geschwiegen hatte. Ausserdem musste ich ihm natürlich die Reise nach Bern und zurück nach Frankreich bezahlen.
Ich starrte auf die Kartonschachtel mit Notebook in der Mitte des Zimmers. Der Raum war immer noch wenig einladend. Vor allem war er nach wie vor unmöbliert.
Bis zum nächsten Möbelgeschäft war es nicht weit. Dort schöpfte ich aus dem Vollen. Ein Schreibtisch aus Metall mit abschliessbaren Schubladen, ein bequemer Bürostuhl, ein Sessel für Besucher, ein verschliessbarer Aktenschrank, Lampen. Ein kleines Möbel für das Badezimmer, Rollos für die Fenster, eine Espressomaschine. Ich war nicht wählerisch, und die Verkäufer waren dementsprechend begeistert. Sie versprachen, den Schreibtisch und die Lampen noch am gleichen Tag zu liefern. Ungeduldig, wie ich war, schleppte ich aber das meiste selbst in mein Büro, insgesamt ging ich viermal vom Büro ins Möbelgeschäft und zurück. So klein der Raum war, es machte mir Spass, ihn einzurichten, und das Zusammensetzen der Möbel war ein kleineres Problem als befürchtet.
Allerdings war das Zimmer nach meiner Aktion ziemlich vollgepfercht, und das noch ohne Schreibtisch. Die Kleider hatte ich an die Schnur, die vom Fensterrahmen zur Toilettentür gespannt war, zurückgehängt, denn für einen Kleiderschrank war der Raum definitiv zu klein. Danach musste ich mich wieder jedes Mal bücken, wenn ich zum Fenster wollte. Ich machte mir mit der neuen Espressomaschine einen Kaffee, setzte mich, die Tasse in der Hand, auf den Bürosessel und stellte mir vor, wie ich die Füsse auf den Schreibtisch legen würde.
Der Polizei und MROS würde es gelingen, die Geschäfte von Perren und AdFin aufzudecken und zu klären, weshalb sie Juri getötet hatten. Die Fotos waren der Schlüssel dazu, und ich hatte Hilfe bekommen. Auf Lisa war ich wütend wegen dem Stick, aber insgesamt spürte ich eine riesige Erleichterung. Schluss mit dem Beschatten von Perren, mit den ergebnislosen Gesprächen auf dem Erbschaftsamt, mit der arroganten Frau Näf. Der Polizei mussten all diese Leute Auskunft geben, selbst Perren und Gussew. Was für mich blieb, war herauszufinden, ob Tobias Bucher sich wirklich selbst umgebracht hatte. Ob es nicht doch eine Verbindung zu ihm gab. Davon hatte ich der Polizei nichts erzählt. Natürlich wusste ich, dass ich dafür kein möbliertes Büro benötigte. Für den Raum, endlich eingerichtet, würde mir später etwas einfallen. Wie auch für mein Leben. Bisher war mir nämlich immer etwas eingefallen. Wenig später klopfte es an der Tür, und der Schreibtisch wurde geliefert.
31
Am Samstagvormittag holte ich Bettina ab. Wir fuhren ins Berner Oberland, um uns gemeinsam die Brücke anzuschauen, von der Tobias gestürzt war. In Wimmis, kurz nach einer Unterführung beim Dorfeingang, liessen wir das Auto stehen.
Der Tag war sonnig, aber in der Nacht hatte es Frost gegeben, an schattigen Stellen fanden wir von Eis bedeckte
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