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Russische Freunde

Russische Freunde

Titel: Russische Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Lutz
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nicht wusste, was er sonst tun sollte.»
    Pereira sprach so schnell, dass ich befürchtete, er würde ins Portugiesische abrutschen. Ich musste mir Mühe geben, alles mitzukriegen.
    «Juri hat mir nie gesagt, hinter was sie her waren. Sie haben seine Wohnung durchsucht. Das haben sie ihm erzählt, und er wusste auch, dass sie nichts gefunden haben. So war die Situation, als mir Juri zum ersten Mal davon erzählt hat. Er sagte, er würde ihnen geben, was sie haben wollten, damit er wieder Ruhe habe. Nur hatte er das, was sie wollten, gar nicht bei sich, er musste es in Bern holen gehen, sagte er.»
    «Und dann? Hat er später noch einmal davon gesprochen?», ermunterte ihn der ältere Polizist.
    «Juri ist gemeinsam mit diesen Leuten nach Bern gefahren. Weil sie das so wollten. Als er zurückkam, war er verängstigt. Er hatte ihnen das Gewünschte nicht geben können, er fand es nicht mehr. Er hatte es in einem Koffer versteckt. Der Koffer war noch da, aber das Gesuchte nicht drin. Juri war sehr beunruhigt. Die anderen haben natürlich geglaubt, er führe sie an der Nase herum. Juri hatte noch Hoffnung, dass er das Ding, was immer es denn nun war, wieder finden würde. Er sagte, er habe eine Vermutung. Aber damals hatte er Angst. Und später war er tot.»
    «Moment», intervenierte ich. Mir war einiges klar geworden, aber ich brauchte noch Zeit. Nicht zuletzt wegen der Erkenntnis, dass ich Juris Tod mitverschuldet hatte. Weil ich den USB -Stick aus dem Koffer genommen hatte.
    «Moment.»
    Ich schwieg und die anderen warteten.
    «Also, dann war das so. Juri hatte etwas, was sie unbedingt zurückhaben wollten. Diesen Stick hier.» Ich zeigte auf den Datenträger, der mittlerweile in einer Klarsichtmappe verstaut auf dem Schreibtisch lag. «Unter anderem sind Fotos drauf und der Stick hat nicht Juri gehört. Der Besitzer des Sticks wollte ihn so dringend zurück, dass er Juri bedrohte.»
    Ich machte eine Pause.
    «Juri versteckt den Stick in einem Koffer, den er in meine Abstellkammer stellt. Wo ich fast nie hineinschaue und wo er selbst jederzeit Zugang hat, weil sie ausserhalb der Wohnung liegt und unverschlossen ist. Dann taucht er unter, geht nach Zürich. Kurz darauf wird seine Wohnung auseinandergenommen. Aber sie finden den Stick nicht. Sie machen Juri in Zürich ausfindig, wie auch immer, und holen ihn nach Leukerbad. Sie setzen ihn unter Druck. Er willigt ein, den Stick zu übergeben, aber er muss ihn holen gehen. Juri kommt also, begleitet von ihnen, selbst nach Bern. Während ich nicht da bin. Er will den Koffer aus der Abstellkammer nehmen, aber der ist weg. Juri sagt sich, dass ich den Koffer vielleicht in meine Wohnung hineingestellt habe, was ja auch der Fall war. Ich glaube», ich versuchte mich zu erinnern, «ich glaube, Juri hatte sogar einen Schlüssel zu meiner Wohnung. Jedenfalls, jemand im Haus muss noch einen haben. Ich habe da den Überblick verloren, aber ich glaube, Juri hat vor ein paar Monaten zu meinen Pflanzen geschaut und mir den Schlüssel nie zurückgegeben. Das würde auch erklären, wie sie in meine Wohnung kamen ohne Einbruchspuren an der Tür. Juri und die Männer finden den Koffer, nur ist ausgerechnet der Stick nicht mehr drin. Sie durchsuchen meine Wohnung, diskret, ich soll ja nichts merken, und sie schauen sich meinen Computer an. Dann gehen sie wieder. Die anderen dachten nun sicher, dass Juri sie betrügen wollte. So muss es gewesen sein. In der nächsten Nacht ist er gestorben.»
    Hier endete ich. Ich hatte verstanden. Und es war hart. Juri war tot, weil ich mich eingemischt hatte.
    «Es gibt noch etwas. Ich habe am Tag, nachdem sie in meiner Wohnung waren, von Juri eine Ansichtskarte aus Leukerbad erhalten, mit der Bitte, sofort zu kommen. Aus irgendeinem Grund hat er es nicht gewagt, zu telefonieren, oder sie liessen es nicht zu. Oder er wollte mich nicht unnötig in etwas hineinziehen. Vielleicht ist es ihm gelungen, die Karte hinter ihrem Rücken zu schreiben. Sicher wollte er mich fragen, wo der Stick sei. Der Stick war bei mir zu Hause, in meiner Jeans. Ich hätte ihn ihm jederzeit bringen können.»
    «Und, sind Sie gefahren?», fragte mich der Polizist.
    «Ja, ich kam am Morgen nach Juris Tod an.»
    Nur den Besuch im Bad, den wollte ich weiter verschweigen. Er war auch nicht wesentlich. Was ich sonst beisteuern konnte, wollte ich jetzt sagen. Seit ich das Gefühl hatte, an Juris Tod mitschuldig zu sein, fühlte es sich gut an, dass die Polizei ermittelte. Professionell

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