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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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geschossen. Aber zum Glück hat die Pistole versagt, sie wurde festgenommen und ist jetzt in einer Heilanstalt für Geisteskranke. Michail sagt, daß der Symbolismus zum Chaos führt, zum Verfall. Es ist modern, Morphinist zu sein und an nichts zu glauben. Es ist modern, Rußland zu hassen, die Zarenfamiliezu verfluchen, einen Räuber als Märtyrer, als geheimnisvolle, geknechtete Seele zu betrachten, einen ganz gewöhnlichen Schutzmann aber Henker und Mörder zu nennen. Es ist modern, alles auf den Kopf zu stellen, den Tod für schöner als das Leben zu halten, alles Normale, Gesunde, Moralische zu verachten. O Gott, verzeih uns beiden, dürfen wir denn überhaupt über Moral urteilen? Ich lebe mit einem verheirateten Mann, belüge Papa und Oma, kann nicht mehr zur Beichte gehen. Aber meine Liebe ist so stark, so unmöglich, daß alles andere für mich nicht mehr wichtig ist.
    Michail hat begonnen, mein Porträt zu malen. Es will ihm gar nicht recht gelingen, er kann keine Menschen malen, nur Landschaften, Genrebilder und Karikaturen. Aber gleichgültig, wie er mich malt, ich werde nicht gekränkt sein. Aus irgendeinem Grund hat er mir eine riesige, ziemlich geschmacklose Brosche an die Bluse gesteckt. Er sagte, es sei ein sehr kostbares Stück, das er von seiner Urgroßmutter geerbt habe, und nun malt er mich im Wald mit dieser kalten, schweren Blüte am Hals, wobei die tote, funkelnde Orchidee ihm weit besser gelingt als ich.«

Kapitel 32
    Hauptmann Kossizki war sehr erstaunt, als er eine Nachricht auf seinem Pieper erblickte, daß ein W. I. Butejko auf seinen Anruf warte. Es folgte die private Nummer der Butejkos.
    Der Hörer wurde augenblicklich abgenommen.
    »Ich kann jetzt nicht sprechen«, vernahm der Hauptmann ein erschrockenes, heiseres Flüstern, »ich muß Sie unbedingt treffen, aber ich weiß nicht, wie.«
    »Einen Moment, Wjatscheslaw Iwanowitsch, Sie solltendoch noch eine Woche im Krankenhaus bleiben. Wieso sind Sie zu Hause?«
    »Ljolja hat mich abgeholt. Man glaubt, ich hätte den Verstand verloren, und will keine Scherereien mit mir haben. Aber kommen Sie auf keinen Fall hierher. In Ljoljas Gegenwart kann ich nicht sprechen. Wir müssen uns heimlich treffen, ohne daß sie etwas davon erfährt. Ich muß Schluß machen, verzeihen Sie …« Es wurde aufgelegt.
    Der Hauptmann wählte die Nummer sofort noch einmal. Diesmal nahm Jelena Butejko ab.
    »Guten Tag, geben Sie mir doch bitte Ihren Mann.«
    »Wer will ihn sprechen?«
    »Hauptmann Kossizki.«
    »Und in welcher Angelegenheit?«
    »Ich bin mit der Untersuchung des Mordes an Ihrem Sohn beauftragt. Ich muß Ihren Mann dringend sprechen.«
    »Waren Sie das, der zu ihm ins Krankenhaus gekommen ist?«
    »Ja.«
    »Ich muß Sie nachdrücklich darum bitten, nicht mehr anzurufen und meinen Mann nicht zu beunruhigen.« In ihrer Stimme klang deutlich ein hysterischer Unterton mit.
    »Jelena Petrowna, ich weiß, daß Ihr Mann zu Hause ist. Kann er nicht ans Telefon kommen?«
    »Ich sagte doch, rufen Sie auf keinen Fall mehr hier an. Nach Ihrem Besuch hat mein Mann versucht, sich umzubringen!« schrie sie und warf den Hörer auf.
    Ohne lange nachzudenken, wählte Kossizki die Nummer des Krankenhauses. Er hatte Glück, Peremyschlew, der Arzt, war an seinem Platz.
    »Seine Frau hat ihn gestern abend abgeholt. Wir mußten sie rufen. Die Schwester hatte entdeckt, daß er die Tabletten nicht einnahm, sondern in einer Dose sammelte.«
    »Schlaftabletten?«
    »Ja. Vor kurzem hatte er mal gefragt, wie viele Tabletten man schlucken muß, um zu sterben. Was ist, hat Madame Butejko ihre Drohungen etwa schon wahr gemacht?« fragte der Arzt ironisch.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie hat verlangt, ich solle ihr schriftlich bestätigen, daß die psychische Verfassung ihres Mannes sich nach dem Verhör durch die Miliz, das heißt durch Sie, abrupt verschlechtert habe. Vor der Entlassung hat Butejko mich heimlich gefragt, ob Sie Ihre Telefonnummer bei uns hinterlassen hätten. Ich habe ihm Ihre Dienstnummer und die Ihres Piepers gegeben.«
    »Danke. Ging es ihm danach denn wirklich schlechter?«
    »Ich würde sagen, nein. Daß die Schwester zwei Stunden nach Ihrem Besuch die Tabletten in der Dose gefunden hat, ist eine andere Sache.«
    »Haben Sie denn für Frau Butejko die Bestätigung geschrieben, um die sie Sie gebeten hat?«
    »Selbstverständlich nicht.«
    Warum ist sie derart in Panik? überlegte Kossizki, während er zurück zur Staatsanwaltschaft fuhr. Und warum hat er

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