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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Boutique betrat, eine etwa fünfzigjährige Dame in einem bodenlangen Nerzmantel. Lisa machte sich unauffällig aus dem Staub und lobte sich in Gedanken dafür, daß sie nicht schwach geworden war und einen Haufen Geld für Sachen ausgegeben hatte, die sie gar nicht brauchte und die ihr überhaupt nicht gefielen.
    In einem Antiquitätengeschäft suchte sie für ihren Mann eine winzige Spieldose zum Aufziehen aus. Aus dem bemalten Holzkästchen erklang die Melodie eines Straußwalzers. In einem Spielzeugladen erstand sie einen englischen Teddy für ihre Tochter und eine durchsichtige Gummiblase für ihren Sohn, in deren Innerem Schädel und Knochen schwammen (der sechzehnjährige Witja hatte ihr wie immer ganz genau erläutert, was er haben wollte).
    Eine Stunde war ihr noch geblieben. Sie ging wieder nach draußen, kam allerdings nicht auf die Rue Sainte-Cathérine, sondern auf eine ganz andere Straße. Mittlerweile war es dunkel geworden. Ein paar Minuten lang suchte sie auf dem Stadtplan herum und fragte Passanten. Schließlich glaubte sie begriffen zu haben, wie sie zurück zum Hotel gehen mußte, in Wirklichkeit aber lief sie in die entgegengesetzte Richtung.
    Die bunten Lichter der Schaufenster und Leuchtreklamen verschwanden und machten dem kalten grellweißen Licht der Straßenlaternen Platz.
    Ein schon etwas angejahrter Jüngling mit viel Rouge auf den Wangen, in eng anliegenden rotkarierten Hosen und kurzem rosa Lederjäckchen versperrte ihr den Weg. »Heute gibt’s mich fast umsonst«, verkündete er ihr traurig.
    Der süßliche Duft von billigem Parfum und allerlei orientalischenWohlgerüchen war so intensiv, daß ihr Tränen in die Augen traten. Kein Straßenschild, niemand, den sie nach dem Weg hätte fragen können. Lisa machte kehrt und ging in beschleunigtem Tempo wieder zurück, beinahe rannte sie.
    »Vielleicht mögen Sie ja lieber Mädchen …« Eine üppige Schwarze mit zitronengelb gefärbtem Haar faßte sie am Ärmel.
    Nun lief Lisa wirklich, schaute starr nach vorn und achtete nicht auf den Weg, aber das Rotlichtviertel wollte kein Ende nehmen. Aus einer dunklen Ecke tauchten plötzlich zwei völlig gleich aussehende junge Männer mit kahlgeschorenen Köpfen auf und versperrten ihr den Weg. Ihre Militärmäntel klappten auf, darunter waren sie nackt.
    »Extrarabatt speziell für Sie, fünfzig Dollar für zwei Stunden, siebzig für die ganze Nacht! Sie werden nicht enttäuscht sein!« riefen die beiden mit breitem Grinsen im Chor und entblößten dabei die gleichen löchrigen Zahnreihen.
    Sie wich erschrocken zur Seite und erblickte eine Lücke zwischen den Häusern und dahinter eine dunkle, menschenleere Gasse, wagte aber nicht, hineinzulaufen. In panischer Angst hetzte sie hin und her, versuchte herauszufinden, in welche Richtung sie gehen mußte. Plötzlich hörte sie sich halblaut aufschreien. Jemand hatte sie an der Schulter gepackt.
    »Jelisaweta Pawlowna, was ist mit Ihnen? Beruhigen Sie sich!«
    Sie begriff nicht gleich, daß man sie auf russisch angesprochen hatte.
    »Wie haben Sie es bloß geschafft, ausgerechnet in das gefährlichste und anrüchigste Viertel der Stadt zu geraten? Es ist das einzige dieser Art in ganz Montreal.«
    Vor ihr stand Krassawtschenko, Mitarbeiter des Außenministeriums,ein Diplomat mit akkuratem grauem Bürstenschnitt, einem sanften Lächeln und verständnisvollen Augen.
    »Anatoli Grigorjewitsch, ich habe mich verlaufen«, flüsterte sie und hielt sich krampfhaft an seinem Arm fest.
    »Schon gut, schon gut, wir sind ja schon wieder auf sicherem Terrain. Seien Sie nicht so aufgeregt. Haben Sie denn keinen Stadtplan?«
    »Doch. Aber ich habe mich noch nie gut orientieren können, außerdem gibt es hier keine Straßenschilder. Vermutlich verspäten wir uns jetzt schon zum Bankett? Wissen Sie, wie man zurück zum Hotel kommt?«
    »Ich kenne diese Stadt in- und auswendig, ich habe fünf Jahre hier bei der Botschaft gearbeitet. Das Hotel ist ganz in der Nähe, nur etwa zehn Minuten zu Fuß. Wenn Sie einverstanden sind, können wir erst noch in ein Café gehen. Verschnaufen Sie ein Weilchen, trinken Sie in Ruhe eine Tasse Kaffee. Da drüben ist eine ausgezeichnete Patisserie.«
    Gleich hinter dem Rotlichtviertel begannen die reichen, wohlanständigen Straßen, wo sich das normale städtische Leben abspielte.
    »Die Gegend, in die Sie geraten sind, ist so was wie ein Reservat für Drogensüchtige, billige Pornoschuppen und ähnliche schöne Dinge«, erklärte

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