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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Juwelier mit so hoher Qualifikation gar keine Ersparnisse hatte? Viele Jahre hatte er illegal gearbeitet, hatte sich Mittel und Wege ausgedacht, wie man Gold und Juwelen ausdem Lande schmuggeln konnte. Er hatte für Sammler Kopien berühmter Schmuckstücke angefertigt. Im Institut für Mineralogie lagen Arbeiten von ihm. Er war fast der einzige Fachmann, der Dubletten von berühmten, kostbaren Kristallen anfertigen konnte.
    »Im übrigen will ich Sie zu nichts überreden. Auf Wiedersehen!« Der Hauptmann öffnete die Glastür des Lebensmittelgeschäftes weit vor Butejko.
    »Warten Sie«, sagte Butejko mit leiser Stimme, »gehen Sie noch nicht. Ich bin gleich wieder da.«
    Der Hauptmann blieb auf der Straße stehen. Durch die Scheibe beobachtete er, wie der gebeugte alte Mann mit der Kindermütze ein halbes Roggenbrot kaufte.
    Als er wieder herauskam, blickte er sich gehetzt um.
    »Setzen wir uns doch«, sagte er, »hier ist allerdings gar keine Bank. Und kalt ist es auch. Wir gehen besser in den Hof dort drüben.«
    Auf dem Hof, der sich hinter der Poliklinik für Kinder befand, standen einige heile und saubere Bänke. Sie setzten sich ein Stück weit entfernt von zwei älteren Frauen, die ihre Enkel hüteten.
    »Er kommt jede Nacht«, begann Butejko mit raschem, nervösem Flüstern, so leise, daß der Hauptmann sich zu ihm hinüberbeugen mußte. »Aber die Hauptsache ist, ich kann bis heute nicht begreifen, wie uns das passieren konnte. Qualmen Sie mir bitte nicht ins Gesicht. Ich vertrage keinen Rauch, ich bin ein kranker Mann. Und nehmen Sie die linke Hand aus der Tasche. Ich muß sicher sein, daß Sie kein Aufnahmegerät haben.«
    »Entschuldigen Sie.« Kossizki drückte seine Zigarette aus und zeigte ihm seine Hände. »Ich habe kein Aufnahmegerät.«
    »Danke … Ljolja hat mich gewarnt.« Butejko verzog den Mund und lächelte nervös. »Ich darf mit niemandem darübersprechen, nur mit ihr. Sie verbietet mir sogar, daran zu denken, wiederholt ohne Ende, es sei gar nichts gewesen. Zuerst dachte ich, ich hätte einfach Halluzinationen. Ich hatte die Brosche so viele Male betrachtet, hatte mit eigenen Händen eine Kopie nach den Bildern aus dem Katalog angefertigt. Anfangs einfach nur für mich, ich wollte etwas so Schönes ein zweites Mal erschaffen. Den Auftrag für eine Kopie habe ich später bekommen, bedeutend später, und habe dann die bereits fertige Kopie verkauft.«
    »An wen?« fragte Kossizki vorsichtig.
    »Unterbrechen Sie mich nicht!« schrie Butejko und zuckte nervös zusammen, als hätte man ihm einen elektrischen Schlag versetzt, fast wäre er sogar aufgesprungen. Der Hauptmann faßte ihn sacht am Arm.
    »Entschuldigen Sie, es soll nicht wieder vorkommen.«
    »Ich wußte alles über den Stein, und da taucht dieser Säufer Kusja auf, dieser Taugenichts, faltet einen schmutzigen Lappen auseinander, und darin liegt die Brosche des Grafen Paurier. Die echte, keine Nachahmung, das sehe ich auf den ersten Blick. Er zeigt sie mir und fragt: ›Was geben Sie mir dafür? Das ist ein wertvolles Erbstück.‹ Er erklärt mir – er mir! –, daß das ein wertvolles und altes Stück ist! Einen Moment habe ich mich tatsächlich gefragt, ob er vielleicht ein Nachkomme des Grafen ist? Aber das war Unsinn. Michail Paurier hatte keine Kinder. In Wirklichkeit war es ganz einfach. Der Großvater ebendieses Kusja war Bauer auf der Sowchose ›Bolschewik‹, in der Nähe von Moskau. Er hatte beschlossen, auf seinem Grundstück die Überreste des herrschaftlichen Gartenpavillons zu beseitigen. Das war Anfang der dreißiger Jahre. Er wollte sich ein Haus bauen. Er begann also zu schippen und fand ein altes Schmuckkästchen. Darin lag eine Brosche mit einem Edelstein. Der Sowchosbauer Kusnezow, der damals gerade mal fünfundzwanzigJahre alt war, glaubte, diese Brosche werde ihm Glück bringen, so schön und außergewöhnlich war sie, und so grub er das Fundament nicht weiter aus. Das Haus baute er sich an einem anderen Platz. Die Brosche aber versteckte er, zeigte sie niemandem, erst im Alter übergab er sie seinem Sohn mit der Auflage, sie für seine Enkel zu aufzubewahren und nicht zu verkaufen. Nach dem Krieg zog die Familie nach Moskau, aus der Sowchose machte man eine Datschensiedlung. Der letzte Nachkomme der Kusnezows, eben dieser Kusja, wurde zum Trinker. Die Brosche mit dem ›Pawel‹ war das einzige, was er noch verkaufen konnte. Und so ging er von Juwelierladen zu Juwelierladen, hatte aber immer Angst, man

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