Russische Orchidee
Grips, wenn er dich so profimäßig durchgecheckt hat«, konstatierte Klim, nachdem er den Bericht gehört hatte.
»Grips!« schnaubte Wowa. »Ich war kurz davor, ihn zum Teufel zu jagen, Ehrenwort. Besoffen hat der mich geredet, tonnenweise Lügen aufgetischt.«
»Daran mußt du dich gewöhnen.« Klim klopfte Wowa auf die Schulter. »Einfach so, ohne Umschweife, gibt niemand solche Aufträge. Und wenn doch, dann muß man auf der Hut sein. Aber im großen und ganzen hast du dich wacker geschlagen.«
Während sie sich so unterhielten, stapften sie langsam durch den tiefen Schnee. Wowa klapperte vor Kälte mit den Zähnen, Klim dagegen ging mit offenem Mantel, ohne Schal und Handschuhe, wie im Sommer.
»Weiter werden wir folgendermaßen vorgehen«, sagte er nachdenklich, »wenn Pjotr Petrowitsch anruft, wirst du dich mit ihm treffen. Aber vorher soll er dir noch sagen, wer ihm empfohlen hat, sich an dich zu wenden.«
»Und wenn er das nicht tut?«
»Dann nimm ihn in die Mangel. Er muß es sagen.«
»Und wenn er trotzdem nicht will? Es wäre schade, wenn ein guter Auftrag flötenginge. Du hast selber gesagt, halb Moskau besteht heutzutage aus arbeitslosen Killern, und die Jungs von den organisierten Banden kommen noch dazu. Die fünftausend sind bestimmt nur ein Vorschuß oder das Honorar für die Vermittlung.«
»Einen Killer aus einer der Banden kann er nicht brauchen«, meinte Klim nachdenklich, »mit den organisierten Kriminellen will er nichts zu tun haben. Tätowierungen hat er keine, sagst du?«
»Nein, er ist sauber«, erwiderte Wowa, »keine Hinweise auf Beziehungen zum Milieu. Er wirkt wie einer, der ’ne Masse Geld hat, aber noch nicht richtig dran gewöhnt ist. Vielleicht steckt sowieso mehr Angeberei als Geld dahinter. Spuckt erst große Töne und macht sich dann aus dem Staub – das war’s.«
»Immer langsam, du Hobby-Psychologe«, sagte Klim mit gerunzelter Stirn. »Der kann sich nicht mehr aus dem Staubmachen. Du kennst ihn ja jetzt schon. Also sei unbesorgt. Quetsch alles aus ihm raus, und dann zu mir damit.«
»Was, die ganze Summe im voraus?« Wowa riß die Augen auf. »Aber das geht doch nicht, Klim …«
»Du bist wirklich ein Idiot, Wowa«, sagte Klim kopfschüttelnd, »merk dir, wenn du viel Geld machen willst, darfst du nicht die ganze Zeit daran denken. Informationen sollst du aus ihm herausquetschen, Informationen. Kapiert? Wir brauchen den Namen des Opfers, ein Foto, wenn’s geht, Telefonnummern, Adressen.«
»Und das Geld?« platzte Wowa mechanisch heraus. An etwas anderes konnte er einfach nicht denken.
»Du wirst deinen Vorschuß schon kriegen, keine Sorge.« Klim grinste.
Wowas Augen wurden für einen Moment ganz durchsichtig, er brummelte etwas Unverständliches, zündete sich eine Zigarette an, fuhr dann plötzlich auf und starrte Klim erschrocken an.
»Sag mal, fünf Riesen – ist das wirklich ein normaler Vorschuß?«
»Kann ich jetzt noch nicht sagen.«
»Und wie kann man das herauskriegen?«
»Ich habe dir schon hundertmal erklärt«, sagte Klim finster, »die Summe hängt von der Qualität des Kunden und von der Quantität der Informationen ab.«
Vielleicht finden wir den Stein viel schneller als den Mörder, dachte Borodin. Vermutlich brauchen wir nur die Wohnung der Butejkos zu durchsuchen. Aber dafür ist später noch Zeit. Jetzt dürfen wir uns nicht ablenken lassen. Wir können Anissimow nicht endlos in der Psychiatrie festhalten. Die Zahl der Verdächtigen wächst, ohne daß wir mehr konkrete Anhaltspunkte hätten als zu Anfang.
Er legte eine Videokassette ein, auf der der Name »Sokolow« stand.
»Mal sehen, wer das nun wieder ist«, murmelte er und machte es sich auf dem Sofa bequem.
Es handelte sich um die Aufzeichnung einer alten Sendung aus der Reihe »Blitzlicht«.
Auf dem Bildschirm war ein riesiger Konzertsaal zu sehen, überfüllt mit Jugendlichen. Sie johlten und pfiffen, die Mädchen kletterten den Jungen auf die Schultern, um einen halbnackten Kerl zu begrüßen, der mit einem Mikrofon in der Hand über die Bühne turnte und malerisch seine dichten langen Haare schüttelte.
»Erfolg im Showgeschäft läßt sich weder planen noch vorhersagen«, ertönte die heisere, hohe Stimme von Artjom Butejko aus dem Off.
Borodin fiel auf, daß der Skandalreporter zum ersten Mal ganz ernsthaft sprach, ohne Ironie und Spott.
»Kaum jemand in der komplizierten Welt der Popmusik war so erfolgreich wie dieser attraktive, talentierte junge Mann«,
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