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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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könne denken, er habe sie gestohlen. Als ich im Hof unseres Geschäfts auf ihn zukam, hat er sich ein Herz gefaßt. Später hat er sich aber wieder eines anderen besonnen, hat Ljolja und mir seine Familiengeschichte erzählt, wurde ganz rührselig und sagte, nein, ich kann die Brosche nicht verkaufen, nehmt euer Geld zurück, und gebt mir mein Erbstück wieder. Und wie mit Vorbedacht ist das alles an einer ganz abgelegenen, menschenleeren Stelle im Serebrjanyj-Park passiert. Wir hatten ihn zum Schaschlik eingeladen, um den Kauf zu feiern. Es war ein schwüler Abend, wir hatten schon etwas getrunken, und als er herumzujammern begann und die Brosche zurückverlangte, wurde es uns zuviel. Ich stürzte mich auf ihn, warf ihn zu Boden, Ljolja stülpte ihm die Plastiktüte über den Kopf … Als wir begriffen, was geschehen war, haben wir seine Leiche ins Gebüsch geschleift. Erst dann wurde uns bewußt, daß niemand uns gesehen hatte, keine Menschenseele etwas wußte. Ljolja hat mir sofort gesagt: Vergiß es. Aber das konnte ich nicht. Jede Nacht in all diesen Jahren ist er zu mir gekommen. Und jetzt hat er Artjom geholt. Ljolja sagt, das Leben geht weiter. Wenn alles vorbei ist, verschwinden wir aus Moskau.«
    »Wenn was vorbei ist?«
    »Die Untersuchung und der Prozeß.«
    »Und wohin wollen Sie verschwinden?«
    »Wahrscheinlich ins Ausland. Ich muß an meine Gesundheit denken. Ich brauche ärztliche Behandlung, dann wird er auch nachts nicht mehr kommen.«
    »Wo ist denn die Brosche jetzt?«
    »Welche Brosche?«
    Butejko hob jäh den Kopf und blickte den Hauptmann mit völlig anderen Augen an, klaren und leeren.
    »Hören Sie auf.« Kossizki runzelte die Stirn. »Heben Sie sie zu Hause auf, in einem Geheimfach? Wer hat Ihnen den Auftrag für die Kopie gegeben und diese Kopie dann gekauft? Wer? Und wann?«
    »Ich muß jetzt zur Apotheke«, sagte Butejko und schaute sich verwirrt um, wie ein Mensch, der gerade an einem unbekannten Ort erwacht ist, »meine Medikamente holen …«
    »Ich begleite Sie.«
    »Danke.«
    Bis zur Apotheke gingen sie schweigend. Der Hauptmann hielt ihm wieder die Tür auf und wartete auf der Straße.
    »Darf ich einen Blick auf ihre Medikamente werfen?« fragte er, als Butejko wieder herauskam.
    »Ja, natürlich.«
    Der Hauptmann schaute in die kleine Tüte: Haloperidol und Seduxen in Tablettenform, Aminasin in Ampullen, drei Päckchen mit Einwegspritzen.
    »Gibt Ihnen Ihre Frau die Spritzen?«
    »Ja. Sie kann das gut, es tut gar nicht weh.«
    »Schon lange?«
    »Seit zwei Jahren.«
    »Und wer stellt die Rezepte aus?«
    »Sie selber, Ljolja. Sie hat solche Formulare mit Stempeln.Früher hat sie im Bezirkskrankenhaus gearbeitet, als Neuropathologin. Vor drei Jahren hat sie sich aus Gesundheitsgründen in den Ruhestand versetzen lassen. Aber in Wirklichkeit ist sie gesund, sie hatte nur keine Lust mehr, praktisch umsonst zu arbeiten.«
    »Ich verstehe. Und die Idee, aus Moskau zu verschwinden, hatten Sie die erst jetzt, nach dem Tod von Artjom, oder schon früher?«
    Butejko blieb so abrupt stehen, daß er fast hingefallen wäre.
    »Was für eine Idee? Verschwinden? Wohin denn?«

Kapitel 35
    Während Wowa den kräftigen, muskulösen Körper seines Kunden massierte, dachte er daran, daß er bald nicht mehr arbeiten müßte und das richtige Leben anfangen würde. Klim war diesmal für lange und mit ernsten Absichten gekommen, er hatte große Pläne.
    Der Kunde war nicht aus Moskau, er kam aus Surgut in Sibirien und hatte sich als Pjotr Petrowitsch vorgestellt. Dem Aussehen nach war er Anfang dreißig. Während er vor Behagen ächzte und stöhnte, teilte er Wowa sein Problem mit: Innerhalb von drei Tagen mußte er in Moskau fünftausend Dollar auf möglichst erfreuliche Weise durchbringen.
    Der junge, kräftige, gesund aussehende Sibirier erzählte Wowa, er habe ein chronisches Magengeschwür, daher kämen Restaurantbesuche für ihn nicht in Frage. Er trinke und rauche nicht, und Glücksspiele seien nichts für seine angegriffenen Nerven. In Kultureinrichtungen wie dem Bolschoi-Theater oder dem Konzertsaal »Rossija« fielen ihm unweigerlich die Augen zu.
    »Es bleibt nur eins – Weiber«, seufzte Pjotr Petrowitsch und wälzte sich vom Bauch auf den Rücken, »aber wo findet man sie hier bei euch, die Klasse-Weiber?«
    »Na, davon haben wir hier mehr als genug«, entgegnete Wowa und klopfte mit den Kanten seiner müden Hände die haarlosen Lenden seines Kunden durch, »in jeder Zeitung stehen

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