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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Restaurant zurück. Der Sänger prügelte sich mit dem Milizionär. Die schwere Faust des Hauptmanns sauste hoch. Wieder erstarrte das Bild. Kudimow krümmte sich und hielt sich die Hände vors Gesicht. Noch ein Schlag. Eine Großaufnahme von seinem blutüberströmten, zerschlagenen Gesicht.
    »Ruslan wurde mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht. Er wird mehrere plastische Operationen über sich ergehen lassen müssen«, teilte Butejko mit. »Hauptmann Sokolow dagegen hat höchstens mit einer Rüge zu rechnen.«
    Der Beitrag war zu Ende. Auf dem Bildschirm war ein Fernsehstudio zu sehen, in dem mehrere Männer saßen.
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll«, erklärte einer von ihnen nach einer langen, bedeutungsvollen Pause. »Wir haben heute den Autor dieses Beitrags zu Gast, Artjom Butejko, und außerdem einen Augenzeugen der schrecklichen Ereignisse, Alexander Anissimow.«
    »Wissen Sie, wenn man Horrorgeschichten über unsere Miliz erzählt, scheint vieles übertrieben. Wir alle haben davon gehört, daß auf den Revieren geprügelt wird und Geständnisse mit Gewalt erpreßt werden. Wenn man darandenkt, daß niemand dafür zur Rechenschaft gezogen wird, können einem schon die Haare zu Berge stehen«, sagte Butejko düster.
    »Ich wollte zuerst meinen Augen nicht trauen«, warf Anissimow ein, »ich hatte mir nicht vorstellen können, daß man jemandem einfach so das Gesicht zerschlagen kann. Und im Grunde für nichts und wieder nichts. Einfach, weil einer Milizionär ist, hat er die Macht dazu.«
    »Entschuldige, Alexander, wir haben einen Anruf«, unterbrach ihn der Moderator. »Hallo? Wir hören Sie.«
    »Ich könnte diesen Milizionär glatt umbringen«, rief eine aufgeregte Mädchenstimme. »Was soll man sich denn noch alles bieten lassen? Das sind Tiere, die tun, was sie wollen.«
    Ein Anruf nach dem anderen kam. Einmütig äußerten alle Zuschauer ihre Empörung.
    Borodin sah sich die Kassette bis zum Schluß an. Er erinnerte sich dunkel an diesen Skandal, der drei Jahre zurücklag. Ja natürlich, diese Sendung war es gewesen, die eine ganze Lawine losgetreten hatte, aus dem Fall des Hauptmanns Sokolow hatte man eine Art Schauprozeß gemacht. Im Innenministerium wurde daraufhin zum wiederholten Mal die Führung ausgetauscht, es begann eine neue Kampagne gegen Übergriffe und Amtsmißbrauch, der Film fand Resonanz auf höchster Ebene, und der Hauptmann mußte als Sündenbock herhalten. Drei Jahre hatte er wohl bekommen. Aber das wollte Borodin noch nachprüfen.
     
    Lisa war noch nicht durch die Paßkontrolle von Scheremetjewo Zwei hindurch, als sie schon beide erblickte, ihren Mann und Juri. Sie mußte noch auf ihr Gepäck warten und trat solange an die gläserne Trennwand. Ihr Mann lächelte ihr fröhlich zu und winkte. Juri stand am anderen Ausgang, rauchte und sah sie ebenfalls an. Lisa lächelte ihrem Mannzu und machte ihm Zeichen, daß ihr Gepäck noch nicht da sei. Als sie den Kopf wandte, begegnete sie dem Blick von Juri. Sie trat zurück, bemüht, sich vor den freudigen Augen ihres Mannes in der Menge zu verbergen, und ging langsam zu dem anderen Ausgang, wo Juri sein Gesicht an die Glasscheibe drückte.
    »Ich liebe dich«, sagte Juri lautlos und nahm die Brille ab. Seine Augen wirkten dadurch noch trauriger, er kam Lisa ganz verloren und schutzlos vor. Eben noch hatte sie gedacht, daß er absichtlich, aus Trotz, hier erschienen war, aber jetzt verschwand ihr Ärger und machte dem Mitleid Platz.
    Er liebt mich ja wirklich. Er hat niemanden außer seinem Hund, dem Dobermannwelpen, den er Lotta genannt und im Grunde mehr für mich als für sich gekauft hat. Wer ist schuld, daß es so gekommen ist? Hätte er eine andere, unverheiratete Frau getroffen, dann hätte er jetzt eine ganz normale Familie.
    Lisa lächelte und machte die gleichen Lippenbewegungen, dann fügte sie, ebenfalls tonlos, hinzu: »Fahr bitte wieder weg.«
    Er begriff und schüttelte verneinend den Kopf. Und plötzlich erblickte sie in seinen Augen ein nervöses Aufflackern. Sie drehte sich um und stieß beinahe mit Krassawtschenko zusammen.
    »Das Gepäck ist schon gekommen«, teilte er laut mit, »hier ist Ihr Koffer. Und das ist also, wenn ich es recht verstehe, Ihr Juri? Derselbe, nach dem Sie in Kanada solche Sehnsucht hatten? Na, da freue ich mich, ihn endlich persönlich kennenzulernen. Allerdings muß ich sagen, Ihr legitimer Gatte sieht erheblich attraktiver aus.« Er lächelte den verdutzten Juri

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