Russische Orchidee
wegen der Konfitüre. Wer kennt sich mit ihnen aus, diesen Kaukasiern«, brummte Tichon Boljakin. »Ich habe ja gesagt, es ist gefährlich, auf ihren schmutzigen Basaren einzukaufen. Wer weiß, vielleicht haben sie dieses verfluchte Zeug in einem Keller aufbewahrt,wo es Ratten gab. Die Ratten haben sie vergiftet, und so ist das Arsen auch in das Glas gekommen.«
»Ja«, entgegnete Irina heiser aus der Dunkelheit, »dort gibt es viele Ratten. Ich weiß es, ich habe sie selber gesehen.«
»Das sage ich ja«, stimmte der Kaufmann zu, »durch Zufall konnte wer weiß was in das Glas gelangen. Was kommt nicht alles vor. Übrigens habe ich ja auch von der Konfitüre gegessen, und auch Sie, Konstantin Wassiljewitsch, und Sonja ebenfalls. Alle haben davon gegessen.«
»Hören Sie auf.« Der Arzt winkte ab. »Wen wollen Sie belügen? Ein Glas hat Madame Paurier selber geöffnet, daraus hat sie die Konfitüre für ihren Mann und für Sonja genommen. In diesem Glas war das Gift. Als wir uns an den Tisch gesetzt haben, hat sie den beiden die schon gefüllten Schälchen zugeschoben. Und die anderen, das heißt wir drei, haben uns selber aus der großen Schale genommen. Alles ist ganz einfach, und alles ist im voraus geplant worden.«
»Was ist geplant worden? Von wem? Wie können Sie so etwas behaupten?« erregte sich der Kaufmann. »Schämen Sie sich gar nicht? Meine Irina wird sich doch nicht selber schaden! Warum sollte sie sich in einer so schwierigen, gefährlichen Zeit zur Witwe machen? Hören Sie, Herr Doktor, vielleicht hat ja Seine Erlaucht selber beschlossen, auf derart originelle Weise … Sie verstehen, was ich meine?« Der Kaufmann räusperte sich verhalten. »Ich habe schon seit geraumer Zeit allerlei Seltsamkeiten an ihm bemerkt, zum Beispiel diesen Hang zum Alleinsein, zum Malen von Bildern … Aber Sie, Herr Doktor, werde ich für Ihre Bemühungen bezahlen. Ich werde Sie gut bezahlen, es soll Ihr Schaden nicht sein.«
»Herr Boljakin, verschwinden Sie von hier, ich bitte Sie sehr. Gehen Sie irgendwohin, und nehmen Sie Ihre Tochter mit, sonst garantiere ich für nichts«, preßte Baturin hervor.
»Wohin sollen wir denn gehen, das möchte ich gern wissen?« kreischte Irina hysterisch. »Wir sind in unserem eigenen Haus, und Sie, Herr Doktor, haben hier gar nichts zu sagen.«
»Sie ist ein dummes Weib.« Der Kaufmann schüttelte den Kopf. »Nehmen Sie ihr das nicht übel, Herr Doktor. Sie ist natürlich nicht bei Sinnen. Hör auf zu schreien, Irina, du mußt dich hinlegen.« Er faßte seine Tochter beim Arm und führte sie ins Schlafzimmer.
Eine halbe Stunde später kehrte Sonja zurück. Auf dem Fuhrwerk brachte sie den Feldscher Semjon und den Priester mit.
Michail Paurier starb unter großen Qualen. Doktor Baturin bemühte sich, seine Leiden zu lindern, indem er ihm Morphium spritzte. Vor der Morgendämmerung, unmittelbar vor dem Ende, öffnete der Sterbende die Augen und flüsterte etwas. Sonja beugte sich zu ihm hinunter.
»Sonja … die Brosche … Gib sie niemandem, heb sie auf, sie ist alles, was ich habe …«
»Was für eine Brosche, Michail? Wovon sprichst du?«
»Die Brosche von der Großmutter … mit dem Brillanten. Gib sie ihnen nicht …«
Sonja nahm sein Gesicht in ihre Hände, blickte ihm in die Augen und sagte kaum hörbar: »Michail, ich werde ein Kind haben. Dein Kind. Ich liebe dich sehr.«
Der Arzt hörte das nicht, er war gerade in den Garten gegangen, um zu rauchen. Als er zurückkam, atmete der Graf nicht mehr.
Zwei Tage nach der Beerdigung erschien Tichon Boljakin in Baturino, in einem teuren, eleganten, blendendweißen englischen Anzug, mit einem Spazierstock aus Ebenholz in der Hand und in makellos weißen Halbstiefeln. In dem verwilderten Baturinschen Garten wirkte er recht seltsam. Hinterihm stand wie immer sein riesiger, schweigsamer Begleiter, der Chauffeur Andrjucha. In der Hand hielt Boljakin einen großen Strauß dunkelroter Rosen.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte Konstantin Baturin finster.
»Ich bin gekommen, um Ihnen meine Dankbarkeit für Ihre Mühen auszusprechen«, erklärte der Kaufmann, räusperte sich und zog ein ovales rotes Samtetui mit einem verschnörkelten goldenen Monogramm auf dem Deckel aus der Tasche. »Da Geld heutzutage keinen Wert mehr hat, habe ich beschlossen, Ihnen im Namen unserer leidgeprüften Familie ein kleines Geschenk als Andenken zu überreichen. Wollen Sie geruhen, einen Blick darauf zu werfen?«
»Ich danke Ihnen, Herr
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