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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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nicht hinterher mit deinem schlechten Gedächtnis rausreden kannst. Der Kunde ist nicht mehr jung, aber ein kräftiger Mann. Gewöhnlich ist er im Ministerium anzutreffen, in der Duma oder im Club ›ST‹ an der Metrostation ›Nowoslobodskaja‹.«
    »Haben Sie seine Privatadresse?«
    »Nein. Ich weiß, daß er irgendwo auf dem Land wohnt. In der Moskauer Wohnung übernachtet er selten. Hier sind Fotos.« Er holte einen Umschlag aus der Tasche.
    »Sie geben uns einen so gefährlichen Auftrag und sind nicht imstande, ihn ordentlich vorzubereiten? Übrigens sind fünfzehntausend für so eine Arbeit reichlich wenig. Zwanzig!«
    Pjotr Petrowitsch verzog nur das Gesicht und schüttelte verächtlich den Kopf. Die Zahl Zwanzig blieb in der Luft hängen. Der Sibirier wollte offensichtlich nicht länger über Geld reden.
     
    Im Schlafzimmer brannte die Nachttischlampe. Michail Beljajew lag mit geschlossenen Augen im Bett, ein Buch auf dem Bauch. Lisa ging auf Zehenspitzen ins Zimmer.
    »Ich schlafe nicht«, flüsterte er, »so eine gräßliche Nacht. Draußen grölen die Jugendlichen, nebenan keifen die Nachbarn,und die ganze Zeit ruft irgendwer an, ohne etwas zu sagen, jede halbe Stunde. Willst du Tee?«
    »Ja.«
    Er stand auf, zog sich den Bademantel über und gähnte ausgiebig hinter vorgehaltener Hand.
    »Nadja entwickelt kulinarischen Ehrgeiz. Sie hat einen Zimtkuchen gebacken. Ist ihr recht ordentlich gelungen. Ein Stück ist noch übrig.«
    »Michail, weißt du, daß du mir heute das Leben gerettet hast?« sagte sie, als sie die Tassen auf den Tisch stellte.
    »Wieso, wollte dir der Chef an die Gurgel?«
    »Nein, ich meine es ganz wörtlich. Ich fuhr mit ausgeschalteten Scheinwerfern, und quer auf der Straße stand ein Kühlwagen ohne Warnblinklicht. Als du angerufen hast, war ich nur zehn Meter von ihm entfernt. Bei Tempo siebzig.«
    »Bist du wahnsinnig?« Er holte eine Schachtel Zigaretten heraus, obwohl er in der letzten Zeit fast ganz mit dem Rauchen aufgehört hatte. »Nein, wirklich, meinst du das ernst?«
    »Vollkommen ernst. Hättest du nicht angerufen, wäre ich jetzt tot. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich mich wieder beruhigt hatte und weiterfahren konnte. Deshalb komme ich auch so spät.«
    Das ist das letzte Mal, daß ich lüge. Das letzte Mal …
    Ihr Mann stand auf, holte sich aus dem Kühlschrank eine eisgekühlte Flasche Wodka, goß sich ein Glas ein, kippte es auf einen Zug hinunter, warf sich einen Salzcracker hinterher, setzte sich wieder und rauchte.
    Der Wasserkocher begann zu brodeln, Lisa tat Teebeutel in die Tassen und goß das kochende Wasser darüber.
    »Wo ist denn Nadjas Kuchen? Ich habe schrecklichen Hunger.«
    Der Kuchen war tatsächlich sehr lecker.
    »Worüber hast du denn so intensiv nachgedacht, daß du vergessen hast, die Scheinwerfer einzuschalten? Übrigens, gestern kam ein Anruf von der Staatsanwaltschaft, ein Untersuchungsführer namens Borodin. Ich habe ihm deine Handynummer gegeben, aber er hat mich gebeten, dir zu sagen, du möchtest ihn heute früh selber anrufen. Hier, ich hab’s aufgeschrieben. Borodin, Ilja Nikititsch. Er will mit dir über Butejko sprechen.«
    »Ich werde ihn bestimmt anrufen. Ich weiß zwar nichts Näheres, aber der Mörder ist ja wohl immer noch nicht gefunden worden.«
    »Lisa, du gefällst mir heute irgendwie nicht«, sagte Michail kopfschüttelnd, »du bist so seltsam.«
    Sie nahm einen Schluck Tee, steckte sich eine Zigarette an, räusperte sich und sagte: »Michail, ich bin in großen Schwierigkeiten. Ich werde erpreßt.«
    Sie erzählte ihm in allen Einzelheiten, was in Kanada vorgefallen war. Er lauschte schweigend, mit gesenktem Kopf. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, das machte ihr Angst.
    »Die Kassette ist in meiner Handtasche. Ich habe sie mir noch nicht angeschaut. Vielleicht mache ich einen Fehler und sollte dich damit nicht behelligen. Aber ich habe Angst, mich zu irren. Ich erinnere mich an nichts. Möglicherweise ist eine andere Frau gefilmt worden. Die Fotos habe ich mir auch nicht genauer angesehen, ich habe sie zerrissen.«
    »Wie bist du an die Kassette gekommen?« fragte er nach einer langen Pause und blickte dabei immer noch nicht auf.
    »Krassawtschenko hat sie mir auf dem Frankfurter Flughafen gegeben.«
    »Na, dann sehen wir uns den Film doch mal an. Die Kinder schlafen ja glücklicherweise.«
    Nach den ersten Bildern schaute sie vorsichtig zu ihrem Mann hinüber. Sein Gesicht, das von dem flimmerndenLicht des

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