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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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dort wurde das zehnjährige Jubiläum von ›Blitzlicht‹ gefeiert. Er wollte Butejko bitten, den Beitrag über die Schlägerei im Restaurant nicht zu senden. Ich merkte, daß es nicht das erste Gespräch zwischen ihnen war. Es fand im Foyer statt, in der Pause, viele Leute standen ringsum. Der Hauptmann war kurz davor, auf die Knie zu fallen, und Artjom und sein Freund hatten ihren Spaß daran. Sie haben ihn offen verhöhnt, es war widerlich. Mit Hilfe dieser Wirtshauskeilerei hat Artjom seine beruflichen Probleme gelöst und letztendlich bekommen, was er wollte:eine eigene Talkshow. Und als ich dann sah, daß er als Helden genau diesen Freund und Schulkameraden eingeladen hatte und die beiden sich noch nicht einmal die Mühe gemacht hatten, ihre fiktive Geschichte richtig zu durchdenken, das Publikum im Saal ihnen aber glaubte und Tränen vergoß – da wurde ich wütend. Bis dahin hatte ich den Eindruck gehabt, daß Artjoms Zynismus mehr Spiel und Pose als Wahrheit sei und es eine bestimmte innere Grenze bei ihm gebe. Schließlich sind die Bettgeschichten der Stars eine Sache, ein ruiniertes Leben aber eine ganz andere. Doch ich mußte erkennen, daß es für ihn keine Grenze gab. Wenn diese Geschichte schon auf mich als Außenstehende einen so starken Eindruck gemacht hat, daß ich bereit war, die Spielregeln zu verletzen und einem Kollegen die Live-Premiere seiner Sendung zu verderben, wie mußte sich dann wohl erst der Hauptmann fühlen? Wie sehr mußte er Butejko und dessen Freund hassen? Übrigens, die drei Jahre sind herum. Wahrscheinlich ist der Hauptmann wieder in Freiheit, nur wird er wohl kaum zur Miliz zurückgekehrt sein.«
     
    Klim betrachtete die Fotografie lange und aufmerksam. Wowa hätte gern gewußt, woran er dachte, doch Klims Gesicht blieb undurchdringlich.
    Das Schweigen zog sich in die Länge. Wowa wurde unheimlich zumute. Er dachte plötzlich, daß Klim im Grunde für ihn bis jetzt eine völlig rätselhafte Gestalt geblieben war. Er hatte niemals seine Papiere gesehen, war nie bei ihm zu Hause gewesen und wußte nicht einmal, ob Klim verheiratet war und Kinder hatte.
    Zum ersten Mal in den vielen Monaten ihrer Bekanntschaft bekam er Angst. Aber nur für einen Moment. Wowa Muchin quälte sich nicht gern mit schwierigen Fragenherum. Wieso sollte er sich die gute Laune verderben? Wieso sollte er seine reine, große Hoffnung auf den zu erwartenden Geldsegen mit Zweifeln trüben?
    Lieber lauschte er beflissen allem, was Klim sagte, und glaubte jedes seiner Worte. Wie die meisten krankhaft habgierigen Menschen war er vertrauensselig und unterwürfig. Er hatte sofort vergessen, daß Anissimow und Butejko seine Freunde gewesen waren. Kann denn ein Geschäftsmann auf derlei Bagatellen Rücksicht nehmen? Im Gegenteil, es war ein großer Vorteil, daß er die beiden persönlich kannte und über entsprechende Informationen verfügte. Sein Wert als Geschäftspartner stieg dadurch sowohl in Klims Augen als auch in den Augen der Auftraggeber beträchtlich. Diese Auftraggeber hatte er allerdings nie zu Gesicht bekommen, er wußte nur von Klim, daß es sich um sehr wichtige Leute handelte. Klim sagte, die Auftraggeber seien zufrieden gewesen und hätten eine Menge Schotter rausgerückt, aber man könne durchaus noch mehr bekommen.
    Klim hatte ihm allerdings nur einen Tausender gegeben, doch erklärt, das sei lediglich ein kleiner Teil vom Gesamtbetrag. Das erste Geld, das man für einen Auftrag erhielte, noch dazu für einen so schwierigen, dürfe man nicht anrühren.
    »Das wäre ein schlechtes Omen. Das erste Honorar muß man seiner Mutter schenken«, behauptete Klim, »dann geht das Geld nie aus. Deine Mutter wird ein Bankkonto in Deutschland sein. Ich überweise sofort alles auf deinen Namen, es ist eine ordentliche Summe, in ein paar Jahren werden anständige Zinsen zusammengekommen sein, dann kaufst du dir ein Häuschen an einem Ort deiner Wahl und lebst von dem Geld, das wir für die nächsten Aufträge kriegen.«
    Wowa interessierte es nicht, wie Klim auf seinen Namen ein Konto bei einer ausländischen Bank eröffnen wollte,ohne ihn selber oder zumindest seine Papiere vorzuweisen. Er wußte, Klim würde alles tun, was nötig war. Überhaupt war zum Nachdenken keine Zeit. Der zweite Auftrag war fast sofort nach dem ersten gekommen. Klim hatte versichert, daß sich noch weitere große Geschäfte anbahnten und sie viel Geld haben würden. Die Sache kam in Schwung. Was sollte er sich da Sorgen

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