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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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der ihr wohlbekannte silberfarbene BMW.
    Freie Tische gab es genügend. Sie schaute sich um, ging durch die verschiedenen Räume, sah Krassawtschenko aber nicht. Sie setzte sich an einen Tisch am Fenster, von wo aus sie auf den beleuchteten Parkplatz blicken konnte, bestellte vorläufig nur einen Saft, stellte dann ihre Tasche ab und holte sich vom kalten Büfett verschiedene Salate und Knoblauchbrot. Als sie zu ihrem Tisch zurückkam, schaute sie auf die Uhr. Es war schon Viertel nach neun.
    Wo bleibt er bloß? Sein Wagen ist doch da … Sie begann zu essen. Der Kellner kam und fragte, ob er eine Pizza bringen solle. Sie lehnte ab.
    Um halb zehn tauchten neben dem robusten Jeep, derdirekt hinter dem silberfarbenen BMW stand, schlüsselklappernd zwei breitschultrige Burschen in Leder und ein hochgewachsenes hellblondes Mädchen in langem, offenem Pelzmantel auf. Der BMW hatte so geparkt, daß der Jeep nicht herauskonnte. Einer der Burschen beugte sich herunter, klopfte an die Scheibe und fuhr fast im selben Moment erschrocken zurück. Er stürzte zu seinen Freunden, die neben dem Jeep standen und rauchten. Alle drei begannen erregt zu diskutieren. Schließlich holte das Mädchen ihr Handy heraus und wählte eine Nummer.
    Lisa wäre gern hinausgegangen, um zu erfahren, was los war. Aber sie zwang sich sitzenzubleiben. Sie trank ihren Saft aus, bestellte sich Kaffee, rauchte.
    Etwa zehn Minuten später ertönte Sirenengeheul. Ein Krankenwagen kam auf den Parkplatz gefahren, hinter ihm ein Milizauto. Helle Scheinwerfer flammten auf, unter dem Vordach des Restaurants wurde ein starker Strahler eingeschaltet, und Lisa sah, daß in dem BMW auf dem Fahrersitz ein Mensch saß, dessen Kopf seltsam verdreht an der Kopfstütze lehnte. Sie stand halb auf, preßte das Gesicht an die Fensterscheibe und erkannte das kantige Profil von Krassawtschenko.
    Die Milizionäre baten alle Gäste, auf ihren Plätzen zu bleiben, zeigten ihnen einen Paß mit einem Foto und fragten, ob jemand diesen Mann kenne.
    Lisa wurde von dem Milizionär sogleich lächelnd und mit Namen begrüßt.
    »Was ist dem Mann denn geschehen?« wollte sie wissen. »Ein Herzanfall? Eine Gehirnblutung?«
    »Ein Kopfschuß«, erwiderte der Milizionär leise.
    »Wieso hat niemand den Schuß gehört?«
    »Es war eine Pistole mit Schalldämpfer. Profiarbeit. Der Parkplatzwächter hat gesehen, wie irgendein junger Kerl aufden Wagen zugegangen ist, kann ihn aber nicht genauer beschreiben.«
    Der Milizionär wurde gerufen, er lächelte noch einmal und nickte Lisa zu.
    »Alles Gute, Jelisaweta Pawlowna. Es war mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    Er hatte gar nicht mehr gefragt, ob sie diesen Mann kenne.
     
    »Guten Abend, Dmitri Wladimirowitsch!« Der Besitzer des Clubs »ST« zerfloß in einem breiten Lächeln, drückte Malzew die Hand, nickte Warja wieder nur zu, würzte diese nicht allzu ehrerbietige Begrüßung aber immerhin mit einem Kompliment: »Sie sehen heute blendend aus, Warja. Ich freue mich, Sie zu sehen.«
    Sie gingen zu ihrem Tisch. Der Club war diesmal fast leer, das Orchester machte gerade Pause, aus einem unsichtbaren Lautsprecher strömte leise alte Lautenmusik.
    Warja öffnete die in einen teuren kirschroten Einband gebundene Speisekarte.
    Neben den Namen der Gerichte standen keine Preise. Die Stammkunden bezahlten bargeldlos, mit einer speziellen Clubkarte. So konnte man das Verzeichnis der Speisen und Weine lesen wie ein Gedicht, ohne von unangenehmen Zahlen abgelenkt zu werden.
    »Afrikanischer Fisch ›Loup de mer‹ in einer Sauce aus fernöstlichen Krabben mit Crevettenchips«, las Warja laut vor.
    »Bloß nicht«, lächelte Malzew, »diese exotische Spezialität hast du schon probiert.«
    »Ach ja, natürlich. Ein schauderhaftes Zeug.«
    Warja dachte daran zurück, wie sie zum ersten Mal in dieses paradiesische Etablissement gekommen war, lange die Speisekarte studiert und schließlich dieses Gericht, denafrikanischen Loup-Fisch, ausgewählt hatte. Ungefähr eine halbe Stunde später war eine ganze Eskorte an ihrem Tisch erschienen. Der Chef selber und der Oberkellner trugen auf ausgestreckten Armen Teller mit runden silbernen Deckeln. Dabei machten sie Gesichter wie die Soldaten der Ehrenwache am Mausoleum. Sie blieben exakt ausgerichtet stehen und verharrten regungslos, ohne zu atmen. Mit einer leichten Bewegung der Augenlider gab der Chef ein Zeichen, und im selben Moment wurden die Silberdeckel gehoben.
    Auf Warjas Teller lagen

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