Russische Orchidee
und?«
»Ja, und Sie sind doch eine kluge Frau, Jelisaweta Pawlowna, Sie kennen die garstige menschliche Natur gut genug. Viele werden in der Frau auf diesem Band Sie sehen wollen und nicht irgendeine Unbekannte. Sie sind ein Star. Außerdem werde ich der Boulevardpresse einige sehr offenherzige Interviews geben, in denen ich von unserer heimlichen, leidenschaftlichen Affäre erzählen werde.«
»Mit demselben Erfolg könnte jeder beliebige von einer Affäre mit mir erzählen. Ein paar Beweise sind dafür doch schon nötig, sogar für die Boulevardpresse.«
»Die habe ich ja. Die Fotos und die Videokassette. Ist das vielleicht nichts? Ich verkünde der Welt die rührende Geschichte, daß ich Sie schon seit langem liebe, ohne daß meine Gefühle erwidert wurden, und daß Sie sich nun endlich meiner erbarmt haben, das Glück aber nicht von langer Dauer war. Es fand sich ein Widerling, der uns beide gefilmt hat und dann eine gewaltige Geldsumme von uns erpressen wollte. Und Sie haben vor lauter Schreck beschlossen, mit mir zu brechen. Vor Gericht werde ich Ihnen schmachtende Blicke zuwerfen, vielleicht sogar eine mannhafte Träne zerdrücken. Ich werde immer wieder sagen: Lisa, verzeih mir, ich liebe dich. Denk daran, wie glücklich wir waren. Und man wird mir glauben. Mir, nicht Ihnen. Beweise spielen da gar keine Rolle. Man wird mir glauben, weil meine Version interessanter und melodramatischer ist. Ich werde eine solche Show abziehen, eine solche Seifenoper aus der Geschichte machen, daß mir ein cleverer Produzent noch Geld dafür bezahlen wird.«
»Ich habe mir noch niemals Fingernägel oder Fußnägel lackiert«, bemerkte Lisa gleichgültig, »ich habe eine Allergie gegen Azeton. Ihre Dame hat knallrote Nägel.«
»Was Sie nicht sagen!« Er klatschte erschrocken in dieHände. »Ach, da habe ich ja einen Bock geschossen, wie unangenehm! Aber trotzdem, ich bin Optimist. Ausweglose Situationen gibt es nicht. Ich wußte natürlich von Ihrer Allergie, aber Sie haben mir trotzdem den Gefallen getan, weil ich so wahnsinnig auf rote Nägel stehe. Übrigens, wie hat der Film Ihrem Juri gefallen? Auf die Farbe der Nägel wird er wohl kaum geachtet haben. Und wenn sogar er, der Ihnen so nahesteht, diesen Lapsus nicht bemerkt hat, was kann man dann vom breiten Publikum an Wachsamkeit erwarten? Allerdings, ich muß zugeben, da habe ich mir eine Nachlässigkeit geleistet. Ich hätte die Dame bitten sollen, den Lack zu entfernen.«
Lisa sah, daß der dunkelblaue Mercedes ihres Chefs auf den Parkplatz fuhr, und stürzte sofort, ohne ein weiteres Wort zu sagen, zum Eingang des Fernsehzentrums. Das hätte ihr noch gefehlt, daß man sie zusammen mit Krassawtschenko erblickte.
»Warten Sie, Jelisaweta Pawlowna, wir sind noch nicht fertig. Ich verstehe, daß es hier und jetzt nicht so gut paßt. Nennen Sie mir einen Ort und eine Zeit.«
»Gut«, knurrte Lisa, »kennen Sie das Restaurant ›Patio-Pizza‹ am Puschkin-Museum?«
»Natürlich.«
»Heute abend um neun.«
Er hat recht, dachte sie, als sie im Schneideraum saß und stumpf auf die Monitore starrte, ich muß seine Bedingungen erfüllen. Da hilft mir kein Nagellack.
Es war ein ganz normaler Arbeitstag, hektisch und anstrengend wie immer. In der kurzen Besprechung verlor Lisa den Gesprächsfaden und starrte gedankenverloren in das harte Gesicht des Programmdirektors. Sein Mund lächelte, die Augen blieben stechend und ernst. Sie überlegte, wie sie ihm Krassawtschenko am besten servieren und sich gleichzeitigselber maximal absichern könnte und wann sie das Gespräch auf dieses Thema bringen sollte.
Oder soll ich vielleicht doch auf Zeit spielen? Versuchen, ihn hinzuhalten? Solange er noch darauf hofft, in die Sendung zu kommen, wird er seine Seifenoper nicht erzählen, überlegte sie, während sie in dem kleinen Zimmer neben dem Fernsehstudio Make-up auflegte.
In diesem Raum trank man Kaffee, erzählte sich Witze, rauchte heimlich und zuckte bei jedem Klopfen an der Tür zusammen, weil das Rauchen eigentlich streng verboten war.
Aber zuerst muß ich herausfinden, was er eigentlich im Fernsehen erzählen will und wem, dachte sie, während die Sendung aufgezeichnet wurde und sie mechanisch ihren Text aufsagte.
»Du bleibst ja bei jedem zweiten Wort stecken«, sagte der Redakteur verärgert, »noch mal von vorn.«
Um halb neun verließ sie mit ihrem Wagen den Parkplatz des Fernsehzentrums, Punkt neun kam sie vor dem Restaurant an. Auf dem Parkplatz stand bereits
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