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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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mit einer Striptease-Show. Auf dem Teppich lag Geld, sehr viel Geld. Irgendein Kellner würde sich bestimmt an Sanja erinnern und ihn wiedererkennen.Na schön, aber was würde das nützen? Ja, er war in einem Restaurant gewesen. Danach jedoch war er in dem Haus aufgetaucht, in dem Butejko wohnte. Wie war er dorthin gekommen? Mit der Metro? Mit dem Taxi? Oder hatten die Leute, mit denen er im Restaurant gesessen hatte, ihn dorthin gebracht? Mit wem hatte er überhaupt im Restaurant gesessen?
    Vormittags hatte er mit Wowa Muchin telefoniert. Aber Wowa lud nie jemanden ins Restaurant ein. Und noch eine Frage, wohl die wichtigste überhaupt: Wohin hatte er die Walter gesteckt, als er aus dem Haus ging?
    Er hatte am Abend weder eine Tasche noch einen Aktenkoffer bei sich gehabt. Eine Pistole hätte er nirgends unterbringen können. Die Taschen seines Mantels waren zu klein, es gab nur eine etwas größere im Inneren, aber dort steckte bereits sein Handy. Die schwere Walter konnte er ja wohl kaum in seine Jackentasche gestopft haben. Das wäre viel zu auffällig gewesen, das Jackett war aus dünnem seidigem Stoff.
    Sanja kniff konzentriert die Augen zusammen und versuchte, vom Grund seines Gedächtnisses noch irgendein wesentliches Detail heraufzuholen. Er fühlte sich jetzt schon erheblich besser, war ruhiger geworden. Er schüttelte kräftig den Kopf, und erst da bemerkte er Natascha, die mit dem Rücken zu ihm stand. Sie trug ihre alten Jeans und eine kurze knallrote Steppjacke. Die blonden Haare hatte sie ziemlich unordentlich mit einer Plastikspange zusammengesteckt.
    »Natascha!« rief er erleichtert, sprang von der Bank und preßte sein Gesicht an das Gitter des »Affenkäfigs«.
    »Sanja …« Sie drehte sich um. Ihre Wangen waren tränennaß. Dimytsch saß friedlich in seinem Tragetuch, an die Brust der Mutter gekuschelt, und betrachtete neugierig dieUmgebung. Als er Sanja erblickte, strahlte er sofort auf, rutschte hin und her, hob die kleine Hand in dem bunt gestreiften Fäustling und sagte laut: »Papa!«
    »Natascha, denk mal nach, wer war in den letzten Tagen alles bei uns, wer könnte an der Schreibtischschublade gewesen sein?« schnatterte Sanja atemlos. »Wisch den Staub nicht weg. Guck nach, ob in deinem Schmuckkästchen auf der Kommode die Patronenschachtel liegt. Das Schmuckkästchen mußt du mit dem Messer öffnen, ohne es anzufassen. Auf dem Perlmutt könnten fremde Fingerabdrücke sein. Hast du verstanden? Abends war ich im Restaurant. Ruf Wowa Muchin an, ich habe gestern vormittag mit ihm gesprochen, vielleicht weiß er etwas über den Abend …«
    »Sanja, soll das etwa heißen, du hast die Pistole mitgenommen?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Bist du verrückt geworden? Das kannst du nicht getan haben! Denk nach, wo du warst und mit wem! Denk sofort nach!«
    »Ich kann nicht, Natascha, Ehrenwort, ich habe einen kompletten Filmriß.«
    »So, Schluß jetzt mit dem Geschrei!« Der Wachhabende stand von seinem Schreibtisch auf. »Habt ihr denn vollkommen den Verstand verloren?«
    »Natascha, hör mir gut zu! Ich kann die Pistole nicht mitgenommen haben, als ich ins Restaurant gegangen bin, verstehst du? Du mußt das Restaurant finden. Da war so ein halbnacktes Mädchen … Dollarscheine flatterten herum …«
    »Was für ein Mädchen?« Natascha klapperte mit den vom Weinen schwarzverschmierten Wimpern. »Was für Dollarscheine? Sanja, was ist das für ein Unsinn?«
    »Hör mal, verschwindest du langsam, oder was ist?« erkundigte sich der Wachhabende.
    »Nur noch eine Minute, bitte, bitte …«
    »Schluß jetzt, ich will dich hier nicht mehr sehen!« Der Leutnant packte Natascha beim Ellbogen.
    »Moment, ich bin die Ehefrau des Verhafteten, ich bin eine Zeugin, Sie müssen mich verhören! Wer ist hier der Chef? Wer ist für den Fall zuständig?«
    »Du bist wohl eine ganz Schlaue, was? Ab nach Hause mit dir und deinem Balg, geh uns hier nicht auf die Nerven. Wenn man dich verhören will, wird man dich vorladen. Kapiert?«
    »Rühren Sie sie nicht an!« schrie Sanja heiser. »Natascha, man hat mir irgendein Zeug gegeben, du mußt erreichen, daß man mir Blut abnimmt und eine Analyse macht! Merk dir: Restaurant, Droge, Wowa Muchin. Wenn du mit dem Untersuchungsführer sprichst, sag ihm, ich hätte die Pistole nirgends verstecken können. Hast du verstanden?«
    »Papa!« rief Dimytsch und begann zu treten und zu strampeln, im Bemühen, sich aus dem Tragetuch zu befreien. Beinahe hätte er es

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