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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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hatte Biß.
    Studium an der KGB-Akademie der Grenztruppen, Fakultät für Diversions- und Desinformationstätigkeit, dann eine Stelle bei der Kaderüberprüfung der Kommandeure in Afghanistan, anschließend der Aufbau eines Agentennetzes in Tschetschenien. Danach plötzlich eine scharfe Kehrtwendung und ein ebenso ruhiger wie zwielichtiger Posten als Verwalter des Fonds der Sportveteranen beim Außenministerium. Ein beeindruckender Lebenslauf – selbst wenn nur die Hälfte davon stimmte. Übrigens erklärte der graumelierte Haudegen sofort vorbeugend, er dürfe längst nicht alles über seine Vergangenheit erzählen.
    Natürlich, vieles an ihm weckte bei Pawel Malzew Zweifel,andererseits konnte man für eine so kitzlige Sache doch keinen Dutzendmenschen engagieren!
    »Ein professionelles Verhör unter Drogen ist ungefähr das gleiche wie eine Zahnextraktion mit Spritze«, erläuterte Krassawtschenko, »die Hauptsache ist, daß der Patient sich entspannt, dem Arzt vertraut und ihn nicht bei der Arbeit stört. Läuft die Arbeit erst einmal, muß man darauf achten, daß die Krone nicht abbricht und die Wurzel nicht im Zahnfleisch steckenbleibt. Sonst kann es sein, daß der Befragte irgendwelchen Blödsinn erzählt und nicht das, was man von ihm wissen will.«
    Seine »Extraktionen« führte er unter vier Augen im stillen Kämmerlein durch. Er schlich sich in das Vertrauen seiner Opfer und schüttete ihnen bei der ersten besten Gelegenheit eine kleine Dosis einer geruch- und geschmacklosen Substanz in ein beliebiges Getränk. Nach wenigen Minuten befiel das Opfer eine so furchtbare Schwäche, daß es sich ohne fremde Hilfe nicht mehr bewegen konnte. Anschließend spritzte ihm Krassawtschenko ein weiteres Präparat, das unter dem Namen »Wahrheitselixier« bekannt war. Es handelte sich dabei um ein kompliziertes Gemisch aus Halluzinogenen und Antidepressiva. Eine Viertelstunde lang beantwortete das Opfer dann alle Fragen, erzählte Dinge, die es bei klarem Verstand und Bewußtsein freiwillig nicht einmal seinem Beichtvater anvertraut hätte. Danach fiel es in einen langen, tiefen Schlaf. Nach dem Erwachen hatte es gewöhnlich alles vergessen.
    Für die Injektionen benutzte Krassawtschenko Einwegspritzen mit äußerst feinen Nadeln. Es war unmöglich, die Einstiche in der Armbeuge zu finden. Die Substanzen selbst verflüchtigten sich sehr schnell und waren lange, bevor das Opfer aus dem Schlaf erwachte, schon nicht mehr im Körper nachzuweisen. Krassawtschenko versicherte, er benutze dieneuesten Mittel aus den Geheimlabors des FBI und des Mossad. Nebenwirkungen hätten sie keine.
    Bis zur vereinbarten Zeit blieben noch zehn Minuten. Krassawtschenko kam niemals zu spät, und Pawel Malzew war lieber etwas früher erschienen, um sich seelisch und moralisch vorzubereiten. Aber statt dessen wurde er nur noch nervöser. Er wußte nicht, was er von seinem durchtriebenen Helfer zu erwarten hatte. Immer wieder schaute er auf die Uhr. Malzew saß in einem kleinen China-Restaurant und kämpfte mit der Versuchung, sein Handy aus der Tasche zu holen, seinen Bruder in Moskau anzurufen, ihm seine Befürchtungen mitzuteilen und sich mit ihm zu beraten. Ihn quälten Zweifel und unangenehme Vorahnungen. Plötzlich stieg die Angst in ihm auf, Krassawtschenko könne eines Tages ihm selber mit seinem wundersamen »Wahrheitselixier« auf den Zahn fühlen. In seinem ganzen Leben war ihm noch kein Mensch begegnet, der bei ihm so instinktiv Abscheu und Mißtrauen erweckt hatte. Gott sei Dank ahnte Krassawtschenko nicht, daß Pawel Malzew und sein sogenannter »Auftraggeber« Brüder waren.
    Krassawtschenko erschien wie immer auf die Minute pünktlich, und er näherte sich wie immer geräuschlos von hinten.
    »Herzlichen Glückwunsch! Wie ich schon vermutet hatte, ist Ihr Plan mit dem niederländischen Journalisten schiefgegangen«, teilte er munter mit, als sei er darüber erfreut. »Sie hat das Interview rundweg abgelehnt. Übrigens war die Idee von Anfang an wenig erfolgversprechend. Ich kann mir nicht denken, daß Sie einen überzeugenden Holländer abgegeben hätten. Sagen Sie ehrlich, haben Sie sich das nur ausgedacht, weil Sie mir nicht trauen? Hatten Sie Angst, die Geschichte mit dem alten Wächter könnte sich wiederholen? Oder befürchten Sie, ich könnte mich mit meinen Informationenaus dem Staube machen, um sie selber zu nutzen?«
    »Den Holländer hätte ich mühelos spielen können. Ich spreche die Sprache und war viele Male in den

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