Russische Orchidee
die Pistole gekauft, obwohl Sie wußten, daß das ein Verbrechen ist?«
»Ich halte es nicht für ein Verbrechen.«
»Halten Sie einen Mord auch nicht für ein Verbrechen?«
»Ich habe niemanden ermordet.« Sanja schüttelte entschieden den Kopf. »Jemand will mir den Mord in die Schuhe schieben.«
»Wer und weshalb?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sie haben keine Ahnung«, wiederholte der Untersuchungsführer mit zufriedenem Kopfnicken.
Die idiotische Angewohnheit, fast jeden Satz des Gesprächspartners zu wiederholen, brachte Sanja zur Weißglut. Die eigenen Worte klangen dann auf einmal dumm und unglaubwürdig.
»Die Pistole habe ich nicht mit aus dem Haus genommen. Ich hätte sie nämlich nirgends bei mir tragen können.«
»Wie bitte?« fragte Borodin erstaunt. »Es ist doch eine ganz bequeme, leichte Waffe, die man unauffällig in die Tasche stecken kann.«
»Nein. Mein Mantel hat außen nur kleine Taschen, und in der Innentasche lag bereits mein Handy. Mein Jackett ist aus sehr dünnem Stoff, man hätte gesehen, wenn dort etwas Schweres gesteckt hätte.«
»Und was ist mit der Innentasche des Jacketts?«
»Da habe ich meine Brieftasche.«
»Aber Sie haben doch auch noch Hosentaschen, da paßt Ihre Walter ohne weiteres rein.«
»Nein, sie würde sich abzeichnen. Die Hose ist sehr eng.«
»Sie haben also alle Möglichkeiten durchprobiert?«
»Was für Möglichkeiten? Ich habe sie nicht eingesteckt. Ich hatte sie überhaupt nicht bei mir, verstehen Sie?«
»Gut, angenommen, es war so. Um wieviel Uhr sind Sie aus dem Haus gegangen?«
»Fragen Sie meine Frau.«
»Und wohin sind Sie gegangen? Oder soll ich danach auch Ihre Frau fragen?«
»Anscheinend war ich in einem Restaurant.«
»Ausgezeichnet«, freute sich Ilja Nikititsch, »das ist doch schon was. Und in welchem Restaurant genau?«
»Ein halbnacktes Mädchen mit Sternen auf der Brust hat dort getanzt, und dann lag noch ein Haufen Dollarscheine auf dem Teppich verstreut. Aber daran erinnere ich mich nur sehr verschwommen, wie im Nebel.«
»Ja, Nebel haben wir wirklich reichlich. Den Namen des Restaurants haben Sie natürlich vergessen?«
Sanja nickte schweigend und senkte den Kopf so tief, daß Borodin nur noch seinen dunkelblonden Scheitel sah.
»Sie erinnern sich also, daß Sie kurz vor dem Mord im Restaurant waren, aber keine Pistole bei sich hatten. Und auf welche Weise sind Sie in das Haus des Ermordeten gekommen, gleich neben seine Leiche?«
»Ich habe ihn nicht getötet.«
»Hören Sie mal, Anissimow, vielleicht haben Sie einfach vergessen, wie Sie auf Butejko geschossen haben?«
»Bitte machen Sie sich nicht über mich lustig.« Sanja zog den Kopf zwischen die Schultern, als fürchte er, der andere werde ihn gleich schlagen. »Ich lüge Sie nicht an. Ich könnte niemals einem Menschen in den Kopf schießen. Ich wäre dazu einfach nicht fähig. Außerdem hat meine Pistole zu Hause gelegen, in der Schreibtischschublade.«
»Haben Sie Butejko Geld geliehen?«
»Ja. Dreitausend Dollar.«
»Hat er Ihnen eine Quittung dafür gegeben?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Haben Sie vereinbart, wann er das Geld zurückzahlen sollte?«
»Nein. Entschuldigen Sie, haben Sie zufällig eine Zigarette?«
»Zufällig ja. Bitte sehr.«
Borodin rauchte selber nicht, aber er hatte in seinem Schreibtisch für alle Fälle immer eine Schachtel Rothmans und ein billiges Wegwerffeuerzeug.
Sanja inhalierte gierig und sprach dann sehr schnell weiter, redete wie aufgezogen, als hätte er den Text vorher auswendig gelernt.
»Artjom Butejko schuldete mir dreitausend Dollar. Nach der Wirtschaftskrise hatte ich ernstliche Probleme. Aber daraus folgt doch nicht, daß ich Artjom umgebracht habe. Zahlen einem Tote etwa Schulden zurück? Außerdem wäre ich dann sofort abgehauen.«
»Sie waren zu betrunken.«
»Glauben Sie, wenn ich die Absicht hätte, jemanden umzubringen, würde ich mich vorher betrinken?«
»Das wohl nicht. Aber logisch wäre es in einer solchen Situation durchaus, sich vorher ein bißchen Mut anzutrinken. Sie haben Butejko zweimal bedroht.«
»Bedroht? So ein Quatsch … Nein, ich habe ihn nur an seine Schulden erinnert, das kann man wohl kaum eine Drohung nennen.«
»Erzählen Sie bitte genau, was Sie zu ihm sagten, als Sie zum ersten Mal das Geld zurückverlangt haben.«
»Ich habe einfach angerufen und mich erkundigt, wie’s ihm geht. Ich erwartete, daß er von selbst auf das Geld zu sprechen kommt, aber das hat er nicht
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