Russische Orchidee
etwas Neues aus. Er schleppte eine billige Glasbrosche an und behauptete, es sei ein antiker Brillant. Er erzählte eine verrückte Geschichte – sein Großvater habe einen Brunnen gegraben und dabei ein Kästchen mit Juwelen gefunden. Darunter sei auch diese Brosche gewesen. Hinter ihr seien Sammler und Banditen aus der ganzen Welt her. Den Diamanten darauf hätte vor hundertfünfzig Jahren ein Huhn irgendwo im Ural gelegt.«
Sanja verstummte und zog wieder den Kopf zwischen die Schultern. Er erwartete, daß der Untersuchungsführer gleich explodieren, mit der Faust auf den Tisch schlagen und brüllen würde: Schluß mit dem Blödsinn, machen Sie aus demVerhör keine Posse. Was für ein Hemd? Was für ein Huhn? Was hat dieser ganze Schwachsinn mit dem Mord an Butejko zu tun? Aber statt dessen sagte Borodin nur freundlich: »Was haben Sie denn? Erzählen Sie ruhig weiter. Ich höre Ihnen aufmerksam zu.«
Kapitel 5
Nichts ist unbeständiger als Geld. Geld wird schäbig, wenn es von Hand zu Hand geht, Geld verliert in Katastrophenzeiten seinen Sinn, und die Gesichter, die auf den abgenutzten Scheinen gedruckt sind, grinsen dich spöttisch an: Dafür hast du nun im Schweiße deines Angesichts geschuftet, hast dir deine Gesundheit ruiniert, hast nachts nicht geschlafen. Sicher, man kann es auch klüger anstellen und die Scheine in anderen, zuverlässigeren Werten anlegen. Aber wenn man Land kauft, wo ist die Garantie, daß einen nicht morgen die Stärkeren von diesem Land vertreiben? Und ein Haus kann einstürzen, verfaulen, verbrennen wie auch alle anderen Güter.
Sicherer ist Gold, aber es ist schwer und sperrig, es hat kein Leben, kein Licht. Der Wert dieses Metalls wird allein von seinem Gewicht bestimmt, nicht von seiner Schönheit. Es gab Zeiten, in denen war Aluminium mehr wert als Gold.
Nur Edelsteine, Diamanten und Smaragde, Rubine und Saphire, fallen nicht im Wert. Ein Edelstein ist von allen materiellen Gütern das langlebigste. Ein kostbarer Kristall lebt vom Licht, saugt die Zeit in sich auf, und der Wunsch, diesen kalten, schillernden Splitter der Ewigkeit zu besitzen, bringt viele um den Verstand. Er gleicht dem wunderschönen, zeitlosen Augenblick, mit dem der listige Mephisto Doktor Faust verlockte.
1701 fand im Bergwerk Portial in Golconda, Südindien, ein namenloser Sträfling einen Stein von solcher Schönheit, daß er sich nicht von ihm trennen mochte. Er schnitt sich die Hüfte auf und versteckte den schimmernden Kristall in seinem Körper unter einem blutigen Verband. Einem englischen Matrosen, den er zufällig traf, enthüllte er sein Geheimnis. Der Sträfling war bereit, seinen Schatz herzugeben, aber nicht für Geld, das der Matrose auch gar nicht hatte, sondern für seine Freiheit. Der Engländer hielt sein Versprechen, und bald befand sich der Inder auf einem britischen Handelsschiff. Der Matrose holte den Diamanten aus der eiternden Wunde und warf den Inder über Bord.
Das Schiff unter englischer Flagge erreichte das Fort St. George in Madras. Der Matrose verkaufte den Diamanten an den Gouverneur des Forts, William Pitt. Das Geld, das er dafür erhielt, machte ihn weder reich noch glücklich. Er brachte es in Hafenkneipen durch. Als er das letzte von mehreren tausend Pfund verschleudert hatte, hängte er sich auf.
William Pitt, jetzt glücklicher Besitzer des Diamanten, gab diesem Wunder der Natur seinen eigenen Namen. Nach England zurückgekehrt, befahl er, den Diamanten zu einem Brillanten schleifen zu lassen. Das dauerte zwei Jahre und kostete fünftausend Pfund. Die Kristallsplitter wurden für siebentausend Pfund verkauft.
1717 wurde der Stein für hundertfünfunddreißigtausend Pfund vom damaligen Regenten Frankreichs, dem Herzog von Orléans, erworben. Der Herzog war bescheidener als der Gouverneur, taufte den Stein zwar um, aber nicht auf seinen eigenen Namen, sondern auf den seines Amtes. Der Brillant hieß jetzt »Regent«.
1722 wurde der »Regent« zur Krönungsfeier Ludwigs XIV. in dessen Krone eingesetzt. Er, der aus einer blutigen, eiternden Wunde geholt worden war, schmückte von nun andie Häupter von Königen. Das letzte dieser Häupter, das von Ludwig XVI., fiel unter dem Beil der Guillotine.
Nach der blutigen Revolution brauchte die französische Republik dringend Geld. Man schlug den »Regent« aus der Krone und verkaufte ihn an einen russischen Kaufmann namens Treskow. Aber General Bonaparte liebte Edelsteine, er kaufte den berühmten Brillanten zurück, ließ
Weitere Kostenlose Bücher