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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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getan. Ich habe ihn direkt gefragt: Wann gedenkst du es mir zurückzugeben? Er hat geantwortet, er könne mir das noch nicht genau sagen. Im Moment sei er so klamm, daß es kaum zum Essen reiche. Er hat gejammert und geklagt, wie alle in solchen Fällen.«
    »Haben Sie denn viel Erfahrung im Umgang mit Schuldnern?« fragte Borodin lächelnd.
    »Nein … Wieso meinen Sie?« Sanja blinzelte verwirrt.
    »Sie sagten, wie alle in solchen Fällen.«
    »Ich meinte einfach … Ich spreche nicht aus eigener Erfahrung, aber man weiß doch, zu welchen Ausflüchten die Leute greifen und wie sie über das Leben klagen, wenn die Rede aufs Geld kommt.« Sanja merkte, daß er rot wurde, stockte und verstummte schließlich ganz.
    »Na gut. Aber dann, zwei Tage später, haben Sie ihn zu Hause aufgesucht und wieder von dem Geld gesprochen. Butejkos Mutter versichert, sie habe gehört, wie Sie ihm gedroht haben.«
    »Sie konnte überhaupt nichts hören. Ja, ich habe ihn gebeten, mir wenigstens einen Teil zurückzugeben. Artjom hatteseine Sendung ins Fernsehen gedrückt. Das heißt, er hatte die Möglichkeit, gut zu verdienen. Übrigens ist das ein weiterer Beweis dafür, daß ich nichts davon gehabt hätte, wenn ich ihn umgebracht hätte. Ich habe ihn gebeten, nicht bedroht.«
    »Sind Sie eigens aus diesem Grund zu ihm gegangen, oder gab es noch einen anderen Anlaß?«
    Unerwartet verstummte Sanja. Borodin bemerkte, daß sich sein Gesichtsausdruck jäh veränderte. Er wurde blaß, seine Augen irrten unstet umher. Offenbar suchte er verzweifelt irgendeine Entscheidung zu treffen. Borodin ließ ihm Zeit zum Nachdenken.
    »Ja. Es gab einen Anlaß«, preßte Sanja schließlich langsam durch die Zähne. »Ich wollte seinen Vater in einer Sache um Rat fragen.«
    »Sehr interessant«, nickte Borodin freudig, »bitte etwas genauer.«
    »Ich kann nicht … Aber eigentlich kommt es darauf jetzt auch nicht mehr an. Ich hatte Artjoms Vater eine Sache gebracht, die er schätzen sollte. Meine Frau besitzt einen antiken Ring. Ein großer Smaragd mit Brillanten. Sie hat ihn von ihrer Urgroßmutter geerbt. Ich wollte einfach wissen, wieviel er wert sein könnte. Für alle Fälle. Wer weiß, was noch passiert. Wir sind im Moment ziemlich in Geldschwierigkeiten. Ich habe Natascha nichts davon gesagt, sie würde niemals einwilligen, den Ring zu verkaufen. Sie hat immer erzählt, daß ihre Urgroßmutter sogar im Bürgerkrieg, während der Hungersnot, diesen Ring gehütet und nicht hergegeben hat.«
    »Versteht denn Butejkos Vater etwas davon?« fragte der Untersuchungsführer aufrichtig erstaunt.
    »Ja, er war früher Juwelier. Aber darüber wird bei den Butejkos nicht gesprochen.«
    Warum nicht? wollte Ilja Nikititsch schon fragen, hieltsich aber zurück. Er bemühte sich stets, die Fragen, die ihn besonders interessierten, nicht vorschnell zu stellen.
    »Und wie hat Butejkos Vater den Ring eingeschätzt? Ist er tatsächlich so wertvoll?«
    »Nein«, seufzte Sanja, »er hat gesagt, in dem Smaragd sei ein Riß, und er habe noch irgendwelche anderen Beschädigungen, und die Brillanten seien sehr klein und ihr Reinheitsgrad eher niedrig. Mehr als dreihundert Dollar würde ich dafür nicht kriegen. Ich habe Natascha gar nichts davon erzählt, den Ring wieder mitgenommen und heimlich zurück in ihr Schmuckkästchen gelegt. Sie werden ihr doch auch nichts sagen, nicht? Sie wäre sehr gekränkt, wenn sie erführe, daß ich den Ring habe schätzen lassen und daß er in Wirklichkeit so billig ist. Er ist ihr einziges Familienerbstück.«
    »Nun, absichtlich werde ich ihr nichts erzählen. Nur wenn es sich nicht vermeiden läßt«, meinte Borodin. »Kannten Sie Butejko schon lange?«
    »Wir sind zusammen zur Schule gegangen.«
    »Waren Sie befreundet?«
    »Nein.« Die Antwort kam zu laut und zu schnell, Sanja schlug zur Bekräftigung sogar mit der flachen Hand auf den Tisch.
    »In der Schule waren Sie also nicht befreundet. Und welcher Art waren Ihre Beziehungen zu ihm in der letzten Zeit?«
    »Es gab gar keine Beziehungen! Wir waren einfach Bekannte. Ehemalige Schulkameraden.«
    »Wer von Ihren gemeinsamen Bekannten könnte von der Geldschuld gewußt haben?«
    »Viele.«
    »Was heißt viele? Haben Sie ihm das Geld in Anwesenheit von Zeugen gegeben?«
    »Nein. Aber Artjom hat in der letzten Zeit auf Pump gelebt.Er hat sich bei allen, die ihm was geben konnten, Geld geliehen. Das wußte jeder außer seinen Eltern.«
    Borodin versank einen Moment in Gedanken, kniff

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