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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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du ins Meer gehen. Du mußt es tun, denn sonst gibt es endlos viele Fragen und Verdächtigungen, er wird nicht eher Ruhe geben, als bis er den wahren Grund für deine Angst herausbekommen hat.
    »Ja …«, stöhnte Warja durch zusammengebissene Zähne, fast ohne den Mund zu öffnen.
    Ihre Beine schmerzten unerträglich. Ihr rechtes Ohr war naß, er hatte an ihrem Ohrläppchen gekaut und ihr den Hals mit Speichel vollgesabbert. Feuchte Haarsträhnen klebten ihr am Hals. Die schwere schwarze Wassermasse schien sich über ihr zu schließen und nahm ihr den Atem. Warja schrie dumpf und unterdrückt auf.
    Dmitri Malzew küßte sie auf den Mund und streichelte ihr übers Haar. Er war vollkommen befriedigt, fühlte sich als richtiger Mann. Und Warja war glücklich, daß es zu Ende war und sie unter die Dusche gehen konnte.
    Sie ließ Malzew mit geschlossenen Augen und seligem Ausdruck auf dem verschwitzten Gesicht zurück. Sie sah noch, wie er, ohne die Augen zu öffnen, die Hand ausstreckteund das Handy einschaltete, von dem er sich nie trennte und das er nur für die vierzig Minuten Liebe abschaltete, nicht länger.
    Warja zog ihren Bademantel über und schlüpfte aus dem Schlafzimmer. Sie hatte die Tür noch nicht ganz geschlossen, da hörte sie das schwache Klingeln des Telefons und seine heisere, unzufriedene Stimme: »Ja … Nein, ich kann dich ausgezeichnet hören, aber dein Tonfall gefällt mir nicht … Ich verstehe … Ehrlich gesagt, deine Idee mit dem holländischen Journalisten fand ich von Anfang an ziemlich verrückt. Entschuldige, aber du bist ein hundsmiserabler Schauspieler. Hör mal, Pawel, woher plötzlich diese jugendliche Abenteuerlust? Gut, darüber reden wir lieber nicht am Telefon. Aber im großen und ganzen läuft doch alles prima. Er ist ein Profi, laß ihn also ruhig machen. Warum sagst du nichts? Sind dir etwa Zweifel gekommen? Gut, erklär’s mir … Jetzt hör aber auf, Pawel, übertreib nicht. Nur weil er sich für unwiderstehlich hält, muß er nicht gleich ein kompletter Idiot sein. Kein Anlaß zur Panik. Also, mach’s gut.«
    Warja stand die ganze Zeit reglos und mit angehaltenem Atem an der Tür, lauschte bis zum Schluß und ging erst dann unter die Dusche.
     
    Den meisten Einsatzleuten ging die pedantische Art von Hauptuntersuchungsführer Borodin schrecklich auf die Nerven. Für einen Fall zu arbeiten, der von Borodin geleitet wurde, galt als eine Art Disziplinarstrafe.
    Als Hauptmann Iwan Kossizki die Materialien zum Mordfall Butejko durchgesehen hatte, sank seine Stimmung. Offensichtlich stand ihm eine ermüdende und vor allem vollkommen sinnlose Aufgabe bevor. Jeder andere Untersuchungsführer hätte sich über einen solchen Fall gefreut: eineLeiche, und ein Mörder mit Waffe und Tatmotiv wurde gleich mitgeliefert. Wäre da nicht Borodin, der Fall würde nach einer Woche ans Gericht gehen.
    Und dennoch begriff Hauptmann Kossizki, daß er nicht ganz ehrlich war. Es gab zu viele weiße Flecken. Man hatte noch keine Zeugen verhört und keine Gutachten eingeholt. Und die Strafe träfe ja nicht nur Anissimow, sondern auch seine zwanzigjährige Frau und seinen winzigen Sohn, der ohne Vater aufwachsen müßte. Und schließlich hatte dieser Anissimow auch noch Mutter und Vater, völlig normale, nette Leute. So beschloß Hauptmann Kossizki, es könne nicht schaden, wenn er einmal über den großen stillen Hof schlenderte und sich mit den Mietern im Erdgeschoß unterhielte.
    Es war doch wirklich merkwürdig, daß niemand den nächtlichen Schuß gehört hatte, obwohl die Pistole keinen Schalldämpfer besaß. Und wie hatte der Verdächtige es geschafft, lautlos die Treppe hinunterzufallen, sich keinen einzigen blauen Fleck dabei zu holen und anschließend in den tiefen Schlaf eines Quartalssäufers zu sinken? Während er im Treppenhaus seinem Opfer aufgelauert hatte, war er noch bei klarem Verstand gewesen, hatte kaltblütig aus nächster Nähe seinem ehemaligen Klassenkameraden in die Schläfe geschossen, war die paar Schritte bis zur Treppe gegangen und dann plötzlich weggetreten?
    Iwan spazierte ohne Hast um das Backsteingebäude herum, in dem noch bis vor kurzem der Journalist Artjom Butejko gewohnt hatte. Ein ganz gewöhnlicher neunstöckiger Wohnblock mit drei Eingängen. Dünne Mauern, niedrige Stockwerke. Vor dem Gebäude ein großer Hof mit einem Kinderspielplatz und zwei Reihen Garagen.
    Der Hof war fast leer, nur eine junge Mutter mit einem Kinderwagen saß auf der Rücklehne

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