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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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ihn zunächst in den Griff seines Degens einsetzen, um sich bald darauf doch wieder von ihm zu trennen und ihn für eine riesige Summe zu verpfänden. Der Kristall, so groß wie eine Kinderhand, war so viel wert, daß es für die Ausrüstung einer ganzen Armee reichte. Welches Ende Armee und Heerführer nahmen, ist bekannt.
    Jetzt ruht der berühmte »Regent« an einem Ehrenplatz im Louvre. Vielleicht findet sich noch einmal jemand, der ihn für seine Privatsammlung erwirbt. Wer weiß, was das Schicksal dann für diesen Glückspilz bereithält.
     
    Der römische Naturforscher Plinius der Ältere schreibt in seiner »Naturkunde«, daß ein Diamant die Wirkung von Gift zunichte mache, Fieberhalluzinationen vertreibe, Furcht besiege und in der Hand eines Mörders trübe werde. Die Härte eines Diamanten sei einzigartig, er stoße die Schläge auf dem Amboß so zurück, daß das Eisen auf beiden Seiten auseinanderfahre und der Amboß selber zerspringe. »Jene unbesiegbare Kraft [des Diamanten], Verächterin der beiden heftigsten Mächte der Natur, des Eisens und des Feuers, wird durch Bocksblut gesprengt, jedoch nicht anders als in frischem und warmem [Blut] eingeweicht.« 1
    Der römische Gelehrte irrte. Trotz ihrer beispiellosenHärte sind die Diamantkristalle zerbrechlich und spalten sich unter Schlägen leicht. Bocksblut dagegen hat auf sie überhaupt keine Wirkung.
    Reine, funkelnde Kristalle wie der »Pitt« sind sehr selten. Rohe, unbearbeitete Steine fallen gewöhnlich weder durch ihren Glanz noch durch ihre äußere Form ins Auge. Ihre Oberfläche ist oft rauh und uneben, manchmal mit einer Schicht aus einer anderen Substanz überzogen, die man heute Kruste nennt und früher als »Hemd« bezeichnete. In den mittelalterlichen Lapidarien, speziellen Traktaten, die sich mit den heilenden und magischen Eigenschaften der Edelsteine beschäftigen, wird nämlich behauptet, daß Diamanten in Familien wachsen, der eine klein, der andere groß, männliche Kristalle und weibliche Kristalle. Sie leben, heißt es dort, von Himmelstau und gebären Junge, für die es ein glückliches Vorzeichen ist, genau wie für Menschenkinder, im »Hemd« auf die Welt zu kommen.
    Im Frühherbst 1829, im Dorf Kalininskaja im Ural, trat die alte Apollinarija Popowa eines Morgens aus dem Haus, um nachzusehen, wie es um ihre weiße Legehenne bestellt sei. Die Henne hieß Motja. Sie war alt, fett und legte ungewöhnlich gut. Als Apollinarija in den mit weichem Stroh ausgelegten Korb schaute, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen keine warmen großen milchfarbenen Eier, sondern nur ein einziges Ei, kleiner als ein Taubenei, schmutzig, grau und zu alledem auch noch eckig.
    »Ogottogott, was ist das für ein widerliches Ding? Ist das Huhn etwa verhext?« schrie Apollinarija auf und bekreuzigte sich schnell.
    Ihr ältester Enkel, der vierzehnjährige Pawlik, wollte gerade zur Arbeit gehen, Gold waschen.
    »Guck doch nur, Pawlik, was für ein Unglück!« Die Oma reichte ihm den Korb. »Unsere Henne ist verhext worden,und ich weiß auch, wer das war, Raissa mit ihrem bösen Blick, die verfluchte Hexe. Erinnerst du dich, wie Motja vor drei Tagen plötzlich verschwunden war? Da hat Raissa sie zu sich auf den Hof gelockt, sie hat einen schwarzen Hahn. Die Weiber reden, das ist ein ganz besonderes Tier, ein verzaubertes. Ach, was für ein Jammer, Pawlik, schade um das Huhn, jetzt taugt es nur noch für die Suppe, oder vielleicht nicht mal dafür, wer weiß, ob so eine Suppe nicht schädlich ist!«
    »Schon gut, Oma.« Pawlik nahm vorsichtig das kleine schmutzige Ei in die Hand und kratzte mit dem Fingernagel an der harten Kante. »Die Hühner laufen nicht zu Raissa auf den Hof, sondern zur Diamantenmine, zu den Feldküchen, dort gibt es Hirse und Brotkrumen. Raissa und ihr böser Blick haben nichts damit zu tun. Und ihr Hahn ist ein ganz gewöhnlicher, bloß schwarz wie Kohle und rauflustig wie der Teufel.« Pawlik sprach so vernünftig wie ein Erwachsener und kratzte dabei die ganze Zeit an dem seltsamen Ei herum, hielt es prüfend ans Licht.
    »Warum denn zur Mine«, schimpfte die Oma weiter. »Sie bekommt doch nur das beste Korn, sie braucht doch gar nicht vom Hof zu laufen. Und du, Pawlik, iß deine Dickmilch und dein Brot.«
    »Oma, erzähl den Nachbarinnen nicht von diesem Ei. Sag zu niemandem ein Wort, hörst du?«
    Und schon war er fort, ohne Dickmilch und Brot angerührt zu haben.

Kapitel 6
    Draußen fiel in großen Flocken dichter Schnee. Im Haus

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