Russische Orchidee
die Gräfin Olga Karlowna Paurier Russisch. Diese Sprache, die ihr früher barbarisch vorgekommen war, entzückte sie jetzt durch ihren Reichtum an Bedeutungsnuancen und Gefühlsschattierungen. Die russischenWörter schillerten und leuchteten in allen Regenbogenfarben, wie die Facetten der kostbaren Edelsteine, die sie so liebte.
»Staryk, Staritschok, Starez, Star-rikaschka«, wiederholte die Gräfin mit guttural schnarrendem »r«, lachte und klatschte in die Hände wie ein kleines Kind.
Im Jahre 1880 war die Gräfin achtzig geworden – sie war genauso alt wie ihr Jahrhundert. »Starik«, »Alter«, nannte sie ihren verstorbenen Gatten, den Grafen Paurier, mit dem sie sich oft auf russisch unterhielt, wenn sie im Sessel vor dem Kamin saß.
»Du mußt den Diamanten ›Pawel‹ schleifen lassen, Liebes. Bestell bei Le Villon eine Brosche in Form einer Orchideenblüte, um den Stein herum sollen feine Blütenblätter aus Platin sein mit blaßblauen durchsichtigen Topasen darauf, wie Tautropfen am Morgen, und dazwischen ovale Smaragde als Blätter.«
»Ah, das ist magnifique, mon amour, das ist wundervoll!« Die Gräfin kniff kokett die Augen zusammen, lächelte und entblößte dabei ihre falschen Zähne. »Aber zu welchem Kleid kann ich die Brosche tragen?«
»Zu dem blauen Samtkleid. Oder zu dem weißen, dem aus Chinaseide mit den flämischen Spitzen. Das steht dir so gut, meine Liebe.«
»Genug davon, mein Schatz«, Gräfin Olga schob launisch die Lippen vor, »diese Kleider würde jetzt nicht einmal mehr mein Stubenmädchen Luscha anziehen. Ärmel à gigot trägt man schon lange nicht mehr.«
»Tatsächlich? Was trägt man denn jetzt?«
»Ach, mein Herz, alles hat sich völlig verändert. Die Tournüre hat gesiegt, das Plissé ist verschwunden, ganz enge Kostüme sind jetzt in Mode.«
»Qu’est-ce que c’est la tournure, mein Engel?«
»Oh, das ist so eine Ausbuchtung hinten, unterhalb des Rückens, sie wird durch ein spezielles Gestell aus Fischgräten gehalten.«
Die Tür wurde aufgerissen, ins Zimmer rollte ein Holzpferd auf Rädern, und hinter dem Pferd kam ein fünfjähriger dunkelhaariger Junge hereingelaufen. Er legte den Finger an die Lippen und versteckte sich hinter dem Sessel der Gräfin.
»Was geht da vor sich, Michel?«
»Oma, du mußt mich verstecken, Miss Clarke will, daß ich mir die Haare mit Pomade einschmiere.«
Eine füllige ältere Jungfer in einem karierten Kleid rauschte majestätisch ins Zimmer.
»Was ist los, Miss Clarke?« fragte die Gräfin streng auf englisch.
»Heute kommen Gäste, Euer Erlaucht, die Fürstin Sawadskaja mit ihren Töchtern, und ich wollte, daß Seine Erlaucht so aussieht, wie es sich für einen kleinen Gentleman geziemt.« Die Engländerin machte einen tiefen, respektvollen Knicks.
»Gehen Sie, Mary«, sagte die Gräfin, »und du komm raus, du Schlengel.« Sie streckte die Hand aus und streichelte über die dunklen weichen Locken ihres geliebten Urenkels.
»Schlingel, Oma, oder Bengel, aber nicht Schlengel.« Erst nachdem sich die Tür hinter der gestrengen Miss geschlossen hatte, kam der fünfjährige Michel hinter dem Sessel hervor.
»Warum willst du denn kein Gentleman sein, du Schlingel?«
»Mir gefällt diese klebrige Pomade nicht, und ich will nicht riechen wie ein Barbier. Und außerdem mag ich es nicht, wenn die Fürstin mit ihren Töchtern kommt. Kann ich nicht ein bißchen hier bei dir sitzen, Oma?«
»Maman wird unzufrieden sein. Du mußt zu den Gästen hinausgehen. Das sind kleine Fürstentöchter.«
»Ich langweile mich mit ihnen«, seufzte Michel, »das sind solche Zieräffchen. Ich will lieber bei dir bleiben, Oma. Erzählst du mir von dem Hühnerstein?«
»Davon habe ich dir schon so oft erzählt, die Geschichte kennst du längst auswendig. Morgen werde ich einen Juwelier kommen lassen, den besten und berühmtesten von Moskau. Er wird den Diamanten schleifen und aus ihm eine Brosche in Form einer Orchideenblüte machen, mit feinen Blütenblättern aus Platin. Auf jedem Blütenblatt werden wie Tautropfen durchsichtige zartblaue Topase funkeln, und dazwischen stecken kleine, längliche Smaragde als Blätter. Die Blütenblätter werden beweglich befestigt sein und an dünnen, elastischen Stielen sitzen, wie in dem großen Brillantenstrauß Ihrer Majestät, der Zarin.«
»Steckst du dir die Brosche dann ans Kleid und gehst auf einen Ball?«
»Nein, mein Engel. Ich bin für eine solche Brosche zu alt.«
»Schenkst du sie
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