Russische Orchidee
ausbreiten und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit von ihren Eroberungen erzählen, weil sie meinen, auf diese Weise in den Augen der Öffentlichkeit ihren Wert zu erhöhen. Sie brauchen diese Art von Selbstbestätigung nicht. Sie sind ernsthaft verliebt, aber statt glücklich und zufrieden zu sein, leiden Sie unter inneren Konflikten und Gewissensbissen.«
»Sie sind ganz offensichtlich nicht bei Verstand, AnatoliGrigorjewitsch«, sagte Lisa mit lautem, unnatürlichem Lachen, »was reden Sie da für einen Schwachsinn?«
»Nun gut.« Er seufzte traurig und breitete die Arme aus. »Ich habe mir schon gedacht, daß Sie mir widersprechen würden. Nebenbei, die Verliebtheit steht Ihnen ausgesprochen gut. Sie sind richtig hübsch geworden.«
»Ich habe gar nicht die Absicht, Ihnen zu widersprechen«, sagte Lisa scharf und bemühte sich, die Fassung zu bewahren, »es geht Sie nur einfach nichts an. Ich werde mit Ihnen nicht über mein Privatleben diskutieren.«
»Aha, es gibt also etwas, worüber man diskutieren könnte?« Krassawtschenko kniff listig die Augen zusammen. »Ich wollte Ihnen eigentlich nur mal auf den Zahn fühlen. Ich schwöre, ich weiß gar nichts über Ihr Verhältnis. So, damit wären jetzt also herzliche und vertraute Beziehungen zwischen uns hergestellt. Lassen Sie uns darauf trinken.«
Mechanisch stieß Lisa mit ihm an und nahm einige große Schlucke Wein. Ihr war der Mund ganz trocken geworden.
»Auf unsere Freundschaft«, sagte Krassawtschenko lächelnd. »Mit dem Recht des Freundes werde ich Ihnen jetzt ein ausgezeichnetes Mittel gegen unglückliche, überflüssige Liebe nennen. Wissen Sie, was Sie tun müssen? Sie müssen mit mir schlafen. Dann wird es Ihnen sofort besser gehen.«
»Mit Ihnen?« Lisa musterte ihn kritisch und sagte dann mit ruhigem Lächeln: »Eigentlich gar keine so schlechte Idee. Ich werde darüber nachdenken.«
»Darüber denkt man nicht nach. Das tut man.« Er stand langsam auf und zog sich das Jackett aus. »Alle Ihre Komplexe werden sofort verschwinden, und die Probleme lösen sich wie von selbst.«
»Es gibt aber eins, das sich kaum lösen läßt. Sie gefallenmir nicht, Anatoli Grigorjewitsch. Sie sind ein ordinärer Flegel. Ich fürchte, es wird nichts werden mit uns. Und jetzt seien Sie so gut und verlassen mein Zimmer.«
Krassawtschenko räusperte sich und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Tja, wirklich schade. Gute Nacht. Danke für den Wein. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Rechnung. Ich bezahle sie morgen früh.« Er ging zur Tür und faßte nach der Klinke.
»Sie haben Ihr Jackett vergessen, Anatoli Grigorjewitsch.«
»Ach ja, danke.« Er kam zurück, nahm das Jackett, zog es aber nicht an, sondern holte aus der Innentasche einen kleinen Umschlag und sagte leise: »Ich habe noch etwas vergessen. Hier, schauen Sie.«
Auf den Couchtisch flatterten mehrere Farbfotografien. Lisa erblickte sich selber neben einem männlichen Prostituierten, im Hintergrund eine Leuchtreklame: »Die unvergeßlichen Freuden des oralen Sex«.
»Die Leser der Yellow Press werden sicher bereitwillig glauben, daß Sie gerade über den Preis verhandeln«, bemerkte Krassawtschenko seufzend. »Und hier die Wonnen der lesbischen Liebe. Sehen Sie, wie zärtlich diese üppige blonde Farbige Sie an der Hand hält. So also amüsiert sich unsere ehrenwerte Jelisaweta Beljajewa im Ausland. Das Ärgerliche daran ist, daß nicht einmal nachgewiesen werden kann, daß die Fotos gefälscht sind. Wir wissen ja beide, die Aufnahmen sind echt. Die Leser der Boulevardpresse werden ihre helle Freude daran haben, ganz Moskau wird davon reden. Und irgendwer wird diesen Schmutz bestimmt auch mit in die Schule bringen, in die Ihre Kinder gehen.«
»Was wollen Sie eigentlich, Krassawtschenko?«
»Nur ein bißchen Aufmerksamkeit für meine bescheidene Person. Aufmerksamkeit und Respekt.«
Lisa stand abrupt auf und ging zum Fenster. Ihr war heiß und kalt zugleich, sie zitterte wie im Fieber. Aber auf keinen Fall wollte sie, daß Krassawtschenko etwas davon merkte.
Kapitel 14
Untersuchungsführer Borodin klingelte lange und hartnäckig an der Wohnungstür der Butejkos. Endlich hörte er Schritte herbeischlurfen, dann wurde es plötzllich still. Jelena Butejko drückte ihr Auge an den Türspion. Die Stahltür schien sich von ihrer Erregung geradezu aufzuheizen. Übrigens, eine Stahltür war bei der sonstigen Armut der Einrichtung ein sehr aufschlußreiches Detail.
Die Frage »Wer
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