Russische Orchidee
diesen Ring habe ich vorher gar nicht bemerkt. Die Stücke gehören doch zusammen? Ist der blaue Topas Ihr Glücksstein? Er entspricht sicher Ihrem Sternzeichen? Sind Sie etwa Skorpion? Oder war Ihre Urgroßmutter Skorpion?«
»Würden Sie jetzt bitte auf Ihr eigenes Zimmer gehen?« Lisa riß heftig ihre Hand weg und trat ans Fenster. Krassawtschenko ließ sich in den Sessel fallen und schlug selbstsicher die Beine übereinander.
»Jelisaweta Pawlowna, Sie sind doch eine erwachsene, gut erzogene, zurückhaltende Dame. Wieso plötzlich solch ein Ton? Habe ich Sie vielleicht irgendwie beleidigt? Lassen Sie uns ruhig ein Viertelstündchen zusammensitzen, nicht länger, etwas trinken, und dann verschwinde ich. Ehrenwort.«
»Na gut.« Lisa seufzte. »Wenn Sie sich unbedingt mit mir unterhalten wollen, können wir in die Bar im siebten Stock gehen. Die ist rund um die Uhr geöffnet.«
»Wozu? Alles, was wir brauchen, ist hier im Zimmer. Erlauben Sie.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, stand Krassawtschenko auf und öffnete die Minibar. »Was darf ich Ihnen einschenken? Kognak, Whisky, trockenen Rheinwein …«
»Ich habe doch schon gesagt, ich trinke nicht, und außerdem finde ich, Anatoli Grigorjewitsch, für einen Diplomaten benehmen Sie sich etwas seltsam. Die Bar ist übrigens nicht kostenlos.«
»Keine Angst, die Rechnung bezahle ich. Also, was wollen wir trinken? Und worauf? Vielleicht auf den glücklichen Stern, unter dem Sie geboren sind. Wenn ich gestern nicht zufällig in der Nähe gewesen wäre, hätte Ihr Ausflug ein trauriges Ende nehmen können. Und statt sich bei mir zu bedanken, kränken Sie mich und meiden mich wie die Pest.«
»Verzeihen Sie, Anatoli Grigorjewitsch. Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar und wollte Sie bestimmt nicht kränken.« Lisa wurde die Situation peinlich. »Trinken Sie, was Sie am liebsten mögen. Ich trinke in Gedanken mit.«
»Aber natürlich!« Er brach in Lachen aus. »Allein kann ich auch auf meinem Zimmer trinken. So hat man sich früher bei Klempnern und Elektrikern bedankt – ihnen ein Glas Wodka eingeschenkt. Jetzt fehlt nur noch, daß Sie mir Geld dafür anbieten, daß ich Ihnen aus der Klemme geholfen habe! Ich habe doch wohl ein Recht darauf, wenigstens mit Ihnen anzustoßen! Lassen Sie uns den trockenen Weißwein nehmen. Der hat nicht mehr Alkohol als Traubensaft.«
Er öffnete die Flasche und goß den Wein in zwei große Kristallgläser.
»Warten Sie, gleich fällt Ihnen eine Wimper ins Glas.« Er streckte die Hand aus und berührte ihr Gesicht.
»Nicht nötig, das kann ich selbst.« Sie stand abrupt auf und ging ins Bad. Das Licht dort war sehr hell, aber wie aufmerksam Lisa auch in den Spiegel schaute, sie konnte keine ausgefallene Wimper entdecken. Sie zupfte sich das Haar zurecht und kehrte ins Zimmer zurück.
»Auf Sie, Jelisaweta Pawlowna, auf Ihre Schönheit, auf Ihren Glücksstern!« sagte Krassawtschenko, feierlich flüsternd.
Lisa nippte an ihrem Wein.
»Sie haben mir noch gar nicht auf meine Frage geantwortet,ob Sie Ihren Schmuck in einem Antiquitätengeschäft gekauft haben oder ob es Erbstücke sind.«
»Warum wollen Sie das unbedingt wissen? Interessieren Sie sich ernsthaft für Astrologie und Juwelen?«
»Nein. Ich interessiere mich für Sie, Jelisaweta Pawlowna. Ich weiß, ich benehme mich dumm und auch nicht sehr höflich. Aber immer wenn ich Sie sehe, geschieht etwas mit mir. Ich verliere den Kopf. Ist Ihnen so etwas noch nie passiert?«
»Anatoli Grigorjewitsch, gehen Sie zurück in Ihr Zimmer. In unserem Alter haben solche Spielchen keinen Reiz mehr.«
»Lisa, das ist kein Spiel. Ich frage Sie ganz im Ernst, haben Sie noch nie den Kopf verloren? Haben Sie sich noch nie so verliebt, daß Sie alles vergessen haben, alle guten Manieren, allen gesunden Menschenverstand?«
»Sie sind doch nicht etwa betrunken?« erkundigte sich Lisa vorsichtig.
»Ich bin stocknüchtern. Aber Sie, was geht mit Ihnen vor? Ihre Wangen glühen, Ihre Augen glänzen. Eine heimliche Affäre, ein starkes, spätes Gefühl. Habe ich richtig geraten? Sie brauchen nicht zu antworten, ich sehe Ihren Augen an, daß ich ins Schwarze getroffen habe. Aber leider können Sie sich über diese Affäre gar nicht freuen. Sie fühlen sich nicht wohl dabei, Sie schämen sich. Sie befürchten, daß über kurz oder lang Ihre Kollegen, Ihre Familie davon erfahren. Sie gehören nicht zu dem weitverbreiteten Typ Frauen, die mit Begeisterung sämtliche Details ihres Privatlebens
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