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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Maman?«
    »Nein. Deine Maman ist zu leichtsinnig. Warum muß ich sie denn unbedingt jemandem schenken? Viele Jahre werden vergehen, ein neues Jahrhundert wird anbrechen, das zwanzigste Jahrhundert, Michel. Mich wird es dann nicht mehr geben, aber du wirst ein erwachsener Mann sein. Du wirst heiraten.«
    »Wen, Dolly Sawadskaja? Niemals! Sie fiept wie eine Maus, und bei jeder Gelegenheit rennt sie zur Fürstin, um zu petzen, und die Fürstin zischt wie die Scheite im Kamin, wenn man sie mit Wasser bespritzt. Ich werde niemals heiraten, Oma.«
    »Außer Dolly gibt es noch viele andere Mädchen, eins wird dir schon gefallen. Und jetzt hör mir gut zu und merk dir, was ich sage.« Sie beugte ihr runzliges, weiß gepudertes Gesicht zu ihrem Urenkel hinab und flüsterte: »Es wird einglückliches, vernünftiges Jahrhundert sein. Die Menschen werden endlich lernen, erst zu denken und dann zu handeln. Die Gewissenlosen werden sich schämen, die Erbarmungslosen werden Mitleid mit ihrem Nächsten haben, die Hand des Mörders wird innehalten, aus dem Mund des Lügners wird statt menschlicher Worte Hundegebell ertönen.«
    »Heißt das, unser Küchenmeister Fjodor wird dann nur noch bellen und kann gar nichts mehr sagen? Er lügt ja die ganze Zeit, behauptet, daß die Marmelade schimmlig geworden ist, der Käse hart und der Kalbsbraten trocken.«
    »Michel, was hat Fjodor damit zu tun?« Die alte Frau runzelte die Stirn, und auf den Samtbezug des Sessels rieselte der Staub der trockenen weißen Schminke von ihrem Gesicht. »Ich spreche vom zwanzigsten Jahrhundert, von jenem wunderbaren, vernünftigen Zeitalter, in dem du leben wirst, mein Engel. Du wirst ein erwachsener Mann sein, dein edles Herz wird in Liebe entflammen, und ich hoffe, daß der Gegenstand deiner Verehrung deines Titels und deiner gesellschaftlichen Stellung würdig sein wird.«
    »Oma, was ist das, ein Gegenstand der Verehrung?« flüsterte Michel erschrocken.
    »Sei so gut, unterbrich mich nicht. Nach der Trauung wirst du einer jungen, schönen Frau die Orchideenbrosche ans Kleid stecken. Und deine Frau wird nie aufhören, dich zu lieben.«
     
    Lisa nahm eine Dusche und hüllte sich in den warmen Hotelbademantel. Endlich war ihr nicht mehr kalt. Sie schaltete das Radio ein, suchte nach einem Sender mit ruhiger klassischer Musik und begann sich zu kämmen. Das Klopfen an der Tür hörte sie zuerst gar nicht.
    »Jelisaweta Pawlowna, auf eine Minute, bitte«, rief Krassawtschenko vor der Tür.
    »Entschuldigen Sie, Anatoli Grigorjewitsch, aber ich schlafe schon.«
    »Nur einen Augenblick, es ist sehr wichtig. Ich muß Ihnen etwas geben, und morgen früh fliege ich ab.«
    Wieso habe ich eigentlich Angst vor ihm? dachte Lisa aufgebracht.
    Sie zog Jeans und T-Shirt an, lief barfuß über den Teppich und riß die Tür auf.
    »Verzeihen Sie bitte.« Krassawtschenko trat ins Zimmer. »Ich ging gerade zum Lift zurück, als ich dies hier auf dem Boden bemerkte.« Er hielt ihr ein weißes rechteckiges Kärtchen entgegen. »Haben Sie das vielleicht verloren, als Sie zum Telefon liefen?«
    Es war die Visitenkarte eines Antiquitätengeschäftes, wahrscheinlich des Ladens, in dem sie gestern die Spieldose für ihren Mann gekauft hatte.
    »Danke, aber das brauche ich nicht mehr. Deswegen hätten Sie sich nicht bemühen müssen. Gute Nacht, Anatoli Grigorjewitsch.«
    »Übrigens ein sehr gutes Geschäft.« Krassawtschenko nahm die Karte wieder an sich. »Dort gibt es eine wunderbare Auswahl an antikem Schmuck. Interessieren Sie sich für Juwelen, Lisa?«
    »Nicht sehr.«
    »Ach, und ich dachte immer, Sie interessieren sich dafür. Sie haben so schöne Ohrringe, die sind mir gleich aufgefallen. Amethyst, wenn ich mich nicht irre?«
    »Brasilianischer Topas.«
    »Was Sie nicht sagen! Darf ich mal einen Blick darauf werfen?« Krassawtschenko drängte sie ins Zimmer zurück, dorthin, wo das Licht heller war, und faßte ungeniert an ihr Ohr. »Tatsächlich, blauer brasilianischer Topas. Ein sehr seltener und wertvoller Stein. Schliff ›Marquis‹. Eine außergewöhnlichfeine Arbeit, Jugendstil, Anfang zwanzigstes Jahrhundert. Haben Sie die Ohrringe gekauft, oder sind es Erbstücke?«
    »Anatoli Grigorjewitsch, entschuldigen Sie, aber ich habe ehrlich gesagt nicht die geringste Lust, mit Ihnen über meine Ohrringe zu sprechen. Ich bin sehr müde und möchte schlafen.« Sie streckte den Arm aus, um die Tür zu schließen, aber er faßte nach ihrer Hand und hielt sie fest.
    »Ah,

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