Russische Volksmaerchen
anhalten und befahl ihrem Diener, diesen Spieler zu ihr zu rufen und ihn zu fragen, wer er sei und wie er sich mit Namen nenne.
Als der Diener der schönen Zarewna kam und ihn fragte, wer er sei und ihn zur schönen Zarewna einlud, so ging Ljubim Zarewitsch, ohne dem Diener etwas zu antworten, grade zur Zarewna, und als die schöne Zarewna ihn sah, freute sie sich überaus, daß ihr Ljubim Zarewitsch noch lebe und ließ ihn in den Wagen sitzen und sie fuhren zu ihren Aeltern.
Als Zar Elidar und seine Zarin Militissa den Ljubim Zarewitsch erblickten, freuten sie sich und jubelten unaussprechlich. Da begann die schöne Zarewna folgende Rede: »Nicht Aksof Zarewitsch hat mich gewonnen, sondern Ljubim Zarewitsch, und er war es auch, der das lebendige und todte Wasser sich verschaffte.« Und Ljubim Zarewitsch erzählte ihnen genau seine Begebenheiten: Und so fingen Zar Elidar und seine Zarin Militissa, nachdem sie die Zarewitsche Aksof und Hut herbeigerufen hatten, zu fragen an, warum sie so gehandelt hätten; sie aber läugneten es. Allein der Zar ergrimmte gegen sie und befahl, sie am Thore zu erschießen. Ljubim Zarewitsch heirathete seine schöne Zarewna und erzeugte einen Knaben und lebte mit der schönen Zarewna in Liebe und Eintracht zahllose Jahre. Und damit ist dieses Märchen zu Ende.
2. Märchen von der höchst wunderbaren und herrlichen selbstspielenden Harfe.
In einem Lande lebte ein König namens Filou. Dieser König hatte eine Gemahlin namens Chaltura, mit welcher er einen einzigen Sohn namens Astrach erzeugte, und dieser ihr Sohn hatte in den Jugendjahren Neigung zu Ritterthaten. Als er zu reifem Alter gelangte, fing er an darauf zu denken, sich zu verheirathen, und er fragte seinen Vater, den König Filou, in welchem Reiche die schönste von allen Zaren- oder Königstöchtern sei. Darauf sprach sein Vater, der König: »Mein liebster Sohn, mein holdes Kind, wenn du Lust hast, dich zu verheirathen, so will ich dir die Bilder der Zaren- und Königstöchter aller Reiche zeigen.« Da begann Prinz Astrach ihn um diese Bilder zu bitten, und König Filou führte ihn in ein abgesondertes Gemach und zeigte ihm alle diese Bilder. Er betrachtete sie und wählte sich aus diesen Bildern eine Braut und verliebte sich leidenschaftlich in die Tochter des ägyptischen Zaren Afor, die Zarewna Osida, und Astrach entbrannte gegen sie in seiner Liebe und fing an nachzusinnen, wie er sie sich zur Gattin verschaffen könne. Da begann er, seinen Vater um den Segen zu bitten, damit er ihn zum ägyptischen Zaren entließe, um sich mit der Zarewna Osida mit Ringen zu verloben. König Filou freute sich sehr darüber, daß sein Sohn, Prinz Astrach, heirathen wollte, und deßhalb entließ er ihn mit seinem Segen zum Zaren Afor.
Prinz Astrach ging fort, um sich ein gutes Ritterroß auszusuchen, und durchschritt alle königlichen Ställe, doch konnte er kein Roß nach seinem Sinne finden. Deßhalb nahm er Abschied von Vater und Mutter, empfing von ihnen noch ein Mal den Segen und ging zu Fuße ab nach Aegypten ganz allein; und er ging lange oder kurze Zeit, nahe oder fern, und sah auf dem Felde einen weißsteinernen Pallast stehen, welcher so vergoldet war, daß Strahlen von ihm glänzten, wie von der Sonne. Prinz Astrach ging auf diesen Pallast zu, und als er ihn erreicht hatte, ging er um ihn herum und sah nach den Fenstern, ob er nicht Jemanden erblickte; allein er konnte Niemanden bemerken. Und so ging er auf den Hof und wandelte sehr lange auf dem Hofe herum; aber auch dort sah er keinen einzigen Menschen, und dann» ging er in den weißsteinernen Pallast, und als er hineingekommen war, durchschritt er alle Gemächer, allein auch da fand er keine Seele, und er ging in diesen Gemächern überaus lange und kam in ein Zimmer, worinn ein Tisch für einen einzigen Menschen gedeckt war: und da Prinz Astrach gerade hungrig war, so setzte er sich an diesen Tisch und aß und trank sich satt. Dann legte er sich auf ein Bette und schlief sehr fest ein. Sobald er erwacht war, ging er wieder durch die Zimmer und kam in ein Gemach, wo er durch's Fenster einen so schönen Garten erblickte, als er in seinem Leben noch niemals gesehen hatte, und er bekam Lust, in diesem Garten spazieren zu gehen. Deßhalb ging er auch dorthin und wandelte daselbst sehr lange, und gelangte dann an eine steinerne Mauer, in welcher eine eiserne Thüre war, an der sich ein großes Schloß befand. Als Prinz Astrach dieses Schloß berührte, hörte er hinter
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