Russische Volksmaerchen
Abend.«
Astrach, der Königssohn, legte sich schlafen. Am Morgen erwachte die alte Zauberin sehr früh, stand auf und weckte den Prinzen Astrach: »Erhebe dich, Prinz Astrach, es ist Zeit, daß du guter Jüngling dich auf den Weg machst.«
Da stand Prinz Astrach auf, kleidete sich an, legte Strümpfe und Stiefel an, wusch sich, betete zu Gott, verneigte sich nach allen vier Gegenden und fing an, von der alten Zauberin Abschied zu nehmen. Da sagte die alte Zauberin zum Prinzen Astrach: »Warum machst du, guter Jüngling, dich auf den Weg und fragst mich alte Frau nicht, wie du die selbstspielende Harfe bekommen sollst?«
Prinz Astrach fragte nun die Zauberin, und sie sprach zu ihm: »Ziehe deines Weges unter Gottes Beistand, und wenn du in das Reich des unsterblichen Kaschtschei kommst, so richte es so ein, daß du zu Mittage hingelangst: neben seinem vergoldeten Pallast ist ein grüner Garten, und in diesem Garten wird eine schöne Jungfrau, eine Zarentochter, lustwandeln. Springe über die Mauer in den Garten, und gehe zu der schönen Jungfrau. Du wirst sie erfreuen, denn es sind schon sechs Jahre, daß sie vom unsterblichen Kaschtschei ihrem leiblichen Vater geraubt wurde, und der unsterbliche Kaschtschei lebt mit ihr so, wie mit einer Geliebten. Frage du diese Jungfrau, wie du die selbstspielende Harfe bekommen kannst, so wird sie dir es sagen.«
Da setzte sich Prinz Astrach auf sein gutes Roß und ritt lange oder kurz oder weit, und kam in das Reich des unsterblichen Kaschtschei. Er begab sich an den goldenen Pallast und hörte, wie die selbstspielende Harfe tönte. Da stand Prinz Astrach still, und es fehlte nicht viel, daß er blos mit der größten Aufmerksamkeit zugehört hätte, denn diese Harfe spielte so trefflich, daß sie jeder Mensch bis zum Tode hören könnte. Aber Prinz Astrach kam wieder zu sich, sprang über die Mauer in den grünen Garten und sah dort die Jungfrau, die Zarentochter, und die Jungfrau erschrak sehr vor ihm, aber Prinz Astrach ging sogleich auf sie zu und sagte, sie sollte sich nicht vor ihm fürchten; dann fragte er sie, wie er die selbstspielende Harfe sich verschaffen könne.
Darauf entgegnete ihm die Zarewna Darisa: »Wenn du mich mit dir nehmen willst, so werde ich dir sagen, wie du die selbstspielende Harfe bekommen kannst.« – Prinz Astrach gelobte, sie mit sich zu nehmen, wenn er durch sie die Harfe erlangte. Darauf sprach die Zarewna Darisa, er solle im Garten bleiben. Sie selbst ging zum unsterblichen Kaschtschei und fing an, ihn mit falschen Worten zu befragen, als ob sie ihn herzlich liebe, und sagte zu ihm diese Worte: »Mein innigst geliebter Freund und Vertrauter, unsterblicher Kaschtschei, sage mir, sei so gut, wirst du niemals sterben?« – »Gewiß, ich werde niemals sterben,« antwortete ihr der unsterbliche Kaschtschei. – »Doch,« fuhr die Zarewna Darisa fort, »wo ist dein Tod? ist er bei dir?« – »Gewiß,« entgegnete ihr der unsterbliche Kaschtschei; »er ist unter der Schwelle im Besen.« – Die Zarewna Darisa ergriff sogleich diesen Besen und warf ihn in's Feuer; aber obgleich der Besen verbrannte, so blieb doch der unsterbliche Kaschtschei am Leben. Da fragte die Zarewna den unsterblichen Kaschtschei wieder und sprach zu ihm: »Mein geliebter Freund, du liebst mich nicht aufrichtig, daß du mir nicht die Wahrheit sagst, wo dein Tod ist; doch ich bin dir nicht böse, sondern liebe dich von ganzem Herzen.«
Und so schwatzend fing die Zarewna Darisa an, den unsterblichen Kaschtschei heuchlerisch zu umarmen und zu küssen, und bat ihn, daß er ihr sage, wo sein Tod sei. Da sprach der unsterbliche Kaschtschei zu ihr mit Lachen: »Hast du eine Ursache, zu wissen, wo mein Tod ist? Doch da ich dich liebe, will ich dir sagen, wo er ist. Im freien Felde stehen drei grüne Eichen, und unter der Wurzel der größten Eiche ist ein Wurm, und wenn dieser Wurm gefunden und erdrückt wird, dann sterbe ich auch.«
Als die Zarewna Darisa solche Rede gehört hatte, ging sie zum Prinzen Astrach und sagte es ihm, damit er sich ins freie Feld begebe, die drei Eichen suche, unter der größten Eiche den Wurm ausgrabe und zerdrücke. Prinz Astrach ging sogleich ins freie Feld, ritt vom Morgen bis zum Abend und kaum hatte er die drei grünen Eichen gefunden, als er den Wurm unter der größten ausgrub und zerdrückte. Dann ging er zur Zarewna Darisa und fragte sie: »Lebt der unsterbliche Kaschtschei noch? Ich habe den Wurm gefunden und zerdrückt.« Sie antwortete
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