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Russische Volksmaerchen

Russische Volksmaerchen

Titel: Russische Volksmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Dietrich
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und treibst schlechte Späße mit den Kindern der Fürsten und Bojaren; und darüber haben sich bei dem Zaren Kartaus die Fürsten und Bojaren gegen dich in Ehrfurcht beklagt, und der Zar hat befohlen, dich aus dem Reiche fortzuschicken.«
    Da lächelte Jeruslan und sprach: »Mein Herr Vater, grämet Euch nicht um mich, daß man mich aus dem Reiche verbannt hat. Ich habe nur Einen Kummer: ich bin funfzehn Jahr alt geworden, und war in deinem Stalle, konnte aber kein gutes Roß für mich finden, das für alle Zeit mir dienen könnte.« Dann gingen sie in die weißsteinernen Gemächer, und Jeruslan Lasarewitsch bat seinen Vater und seine Mutter um die Erlaubnis, in's freie Feld zu spazieren, Menschen zu sehen und sich zu zeigen. Der Vater und die Mutter entließen ihn, und gaben ihm zwölf Jünglinge, und funfzig kunstgeübte Meister mit, um am Meere einen weißsteinernen Palast zu bauen. Diese Meister bauten in drei Tagen diesen Palast, und schickten an den Fürsten Lasar Lasarewitsch einen Boten. Der Bote kam zu dem Fürsten Lasar Lasarewitsch und der Fürstin Epistimia, und meldete, daß der prächtige Palast fertig sei, und Jeruslan Lasarewitsch fing abermals an, seine Aeltern um Erlaubnis zu bitten, in's freie Feld spazieren zu gehen. Fürst Lasar Lasarewitsch und die Fürstin Epistimia weinten bitterlich, daß sie sich von ihrem Sohne trennen sollten, und gaben ihm ihren älterlichen Segen.
    Jeruslan Lasarewitsch ritt zu dem Meere in seinen weißsteinernen Palast. Vater und Mutter gaben ihm eine Menge Gold, Silber, Edelsteine, gute Rosse und ausgewählte Jünglinge mit, aber Jeruslan Lasarewitsch wollte nichts mit sich nehmen, keine Jünglinge, keine Rosse und keine Schätze. Er wählte sich nur ein krätziges Pferd, einen tscherkassischen Sattel, eine Trensenschnur, einen Filz und eine kleine Lederpeitsche. Alles Uebrige schickte er seinem Vater zurück. Und so kam Jeruslan Lasarewitsch an das blaue Meer zu seinem weißsteinernen Palast, legte den Filz unter sich, den tscherkassischen Sattel unter den Kopf und streckte sich nieder, um zu schlafen. Morgens sehr früh stand er auf, ging am Gestade des Meeres spazieren und schoß viele wilde Gänse, Schwäne und graue Enten. Damit nährte er sich, und so ging Jeruslan Lasarewitsch ein, zwei, drei Monate herum. Da traf er einen Weg, dessen Breite so groß war, daß ihn ein Schütze eben überschießen konnte, und dessen Tiefe so groß, daß er einem guten Rosse bis an die Ohren ging. Jeruslan Lasarewitsch betrachtete diesen Weg und sprach zu sich selbst: »Wer zieht diese Straße, ein großes Heer oder ein mächtiger Ritter?« – Aber bald begab sich's, daß ein alter Mann auf ihn zuritt; unter ihm war das graue Roß Alotjagilei. Dieser Alte stieg von seinem Rosse, ehe er dem Jeruslan Lasarewitsch nahe kam, und warf sich mit dem Gesicht auf die Erde. »Auf viele Jahre Wohlergehen, Jeruslan Lasarewitsch! Wie bewahrt dich Gott, mein Herr? Warum bist du an diesem Ort, mein Herr, in solcher Einöde? Welche stürmische Winde haben dich hierher verschlagen?« – Jeruslan Lasarewitsch fragte ihn: »Alter Bruder, wie nennest du dich mit Namen?« – Der Alte gab zur Antwort: »Herr Jeruslan Lasarewitsch, ich nenne mich Iwaschka, und mein graues Roß heißt Alotjagilei. Ich bin ein großer Schütze und mächtiger Ringer im Heere der Ritter.« – »Aber,« fuhr Jeruslan Lasarewitsch fort, »woher kennest du mich, daß du mich bei Namen nennest?« – Darauf entgegnete ihm Iwaschka: »Herr Jeruslan Lasarewitsch, wie sollte ich dich nicht kennen, ich bin ein alter Diener deines Vaters, hüte die Pferde schon drei und dreißig Jahre im Felde, und komme zu deinem Vater jedes Jahr ein Mal, um meinen Lohn zu holen. Daher kenne ich dich.«– Jeruslan aber antwortete: »Ich gehe hier auf die Jagd, und spaziere im freien Felde umher. Wer das Bittere nicht genossen, der bekommt das Süße nicht zu sehen. Noch als junger Knabe bin ich in meiner Unwissenheit am Hofe spazieren gegangen, und habe mit den Kindern der Fürsten und Bojaren gespielt. Aber wen ich beim Kopfe fasse, dem fällt der Kopf ab, und wen ich bei der Hand nehme, dem fällt die Hand ab. Dem Zaren war dies nicht angenehm, und er verbannte mich aus dem Reiche; aber dieser Kummer ist mir nichts, sondern ein anderer größerer Kummer peinigt mich. Ich bin schon funfzehn Jahre alt und ging in den Stall meines Vaters, konnte aber kein gutes Roß finden, welches mir Zeit Lebens dienen könnte.« – Da sprach Iwaschka:

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