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Russische Volksmaerchen

Russische Volksmaerchen

Titel: Russische Volksmaerchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Dietrich
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ein fremdes Land, und heirathe vielleicht die schöne Jungfrau, oder empfange den Tod, und ich habe von meinem Vater und meiner Mutter den Segen nicht erhalten.«
    Da ritt er in das Reich des Zaren Kartaus, und nachdem er eine Zeit lang geritten war, gelangte er in das Reich, und fand es bezwungen, mit Feuer verheert, und mit Moos bewachsen. Da stand nur eine Hütte, in welcher ein alter einäugiger Mann wohnte. Jeruslan Lasarewitsch trat in die Hütte, verneigte sich vor dem alten Manne und sprach: »Bruder, alter Mann, wo ist dieses Reich hin?« – Da antwortete der alte Mann: »Tapferer Herr Ritter, von wo bist du gekommen, aus welchem Reiche? welches Vaters, welcher Mutter Sohn bist du, und wie nennest du dich mit Namen?« Aber Jeruslan Lasarewitsch antwortete: »Kennst du mich denn nicht? ich bin ja aus diesem Reiche gebürtig, der Sohn des Fürsten Lasar Lasarewitsch, und nenne mich Jeruslan.« – Da fiel der alte Mann zu Boden, und sprach mit Thränen folgende Worte: »Seit du weggeritten bist, ist viel Zeit verflossen. Da ist Daniil der Weiße wieder zu uns gekommen, und mit ihm fünf Mal hundert tausend Mann. Er hat sich dies Reich unterworfen, es mit Feuer verheert, und hundert tausend tapfere Krieger getödtet. Fünf Millionen gemeines Volk, und alle Pfaffen und Mönche hat er auf dem Felde verbrannt, zwölf tausend Säuglinge an den Ecksteinen zerschlagen, den Zaren Kartaus mit den zwölf Rittern und deinen Vater lebendig gefangen genommen, und der Zarin, des Kartaus Gemahlin, und deiner Mutter, der Fürstin Epistimia, hat er bösen Tod in seinem Reiche gegeben! Ich bin allein unter den Menschenleichen geblieben, und habe neun Tage lang vor Furcht wie todt gelegen.«
    Da weinte Jeruslan Lasarewitsch bitterlich, und sprach mit großem Schmerze: »Barmherziger Gott, warum hast du dieses Reich so furchtbar heimgesucht?« Und als er sich ausgeweint hatte, betete er zu dem Heiligenbilde, verneigte sich vor dem alten Manne, setzte sich auf sein gutes Roß, und ritt zu dem Zaren Daniil dem Weißen. Und er kam in die Stadt um Mittag, und Niemand hatte ihn gesehen. Nur kleine Knaben sahen ihn, welche auf der Gasse spielten. Jeruslan fragte sie, wo der Zar Kartaus säße, in welchem Gefängnisse? er wolle ihm ein Almosen geben. Und sie zeigten ihm das Gefängnis. Jeruslan Lasarewitsch ritt zu dem Gefängnisse und sah, daß eine Wache dabei stand. Jeruslan Lasarewitsch haute diese Wache nieder, riß die Schlösser von der Thüre ab, und schlug die Thüre heraus. Als er in das Gefängnis trat, erblickte er den Zaren Kartaus, seine Vater Lasar Lasarewitsch, und die zwölf Ritter, welchen allen die Augen ausgestochen waren. Da fiel er zu Boden nieder und rief mit Thränen aus: »Viele Jahre Wohlergehen dir, Zar Kartaus, und dir, mein Vater, Fürst Lasar Lasarewitsch, und euch, ihr zwölf tapfern Ritter!« Da antwortete Zar Kartaus: »Ich höre deine Stimme, aber dein Angesicht sehe ich nicht. Woher bist du gekommen? wen suchst du? wie ist dein Name? aus welchem Reiche bist du, und welches Vaters, und welcher Mutter Sohn?« –
    Da sagte ihm Jeruslan Lasarewitsch, wer er wäre; aber Zar Kartaus antwortete: »Mensch, gehe fort von uns, dahin, woher du gekommen bist, und spotte unserer nicht.« – Jeruslan Lasarewitsch entgegnete: »Ich bin der wahre Jeruslan, und bin zu euch gekommen, um euer Schicksal zu mildern.« – Da sprach der Zar Kartaus wieder: »Mensch, lüge nicht, wenn unser Jeruslan Lasarewitsch am Leben wäre, so würden wir nicht im Gefängnisse sitzen und so bitteres Elend erdulden, sondern ich herrschte in meinem Reiche, und wäre immer der berühmte Zar mit meinem Fürsten Lasar Lasarewitsch und diesen zwölf Rittern geblieben. Aber da er nicht mehr ist, so hat uns Gott für unsere Sünden gestraft, und wir sitzen hier ohne Augen und sehen das Licht Gottes nicht. Aber wenn du, Mensch, wirklich Jeruslan Lasarewitsch bist, so reite hinter die stillen Wässer und warmen Meere zu der podolischen Horde in die Stadt Schtschetin zu dem freien Zaren Feuerschild, Flammenlanze. Tödte diesen Zaren und nimm die Galle aus ihm. Und wenn du zu uns zurückkommst, so streiche uns die Augen damit, und wir werden dich sehen und dir glauben; aber jezt trauen wir dir nicht, weil wir dich nicht sehen.«
    Jeruslan Lasarewitsch verneigte sich vor dem Zaren Kartaus, seinem Vater und den zwölf Rittern, ging aus dem Gefängnisse, setzte sich auf sein gutes Roß, und ritt ab aus dem Reiche in das freie Feld. Ihn hatten die

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